Voraussetzungen der Steuerbefreiung

Von der Gewinn- und Kapital- steuerpflicht und indirekt von der Erbschafts- und Schenkungs- steuerpflicht für Zuwendungen werden juristische Personen ausnahmsweise befreit, wenn sie bestimmte, vorab gemein- nützige Zwecke verfolgen (vgl. Art. 56 DBG 1/ bzw. Art. 23 Abs. 1 StHG 2). Das Gesetz präsentiert sich relativ unbestimmt. In der Praxis stehen den Behörden zwei «Auslegungshilfsmittel» zur Verfügung – das Kreisschreiben Nr. 12 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) vom 8. Juli 1994 einerseits sowie die Praxishinweise der Schweize- rischen Steuerkonferenz (SSK) vom 18. Januar 2008 andererseits. Die meisten Kantone haben zusätzlich eigene Praxisfestlegungen publiziert.

Gemeinnützigkeit setzt praxisgemäss ein Zweifaches vor- aus, nämlich a) eine Tätigkeit im Allgemeininteresse sowie b) uneigennütziges Tun 3. Aus dem letzteren Erfordernis wird mitunter ein Zusatzkriterium abgeleitet, nämlich dass die Stiftungsräte/Vereinsvorstände ehrenamtlich tätig wer- den müssen. Zusätzlich verlangt das Gesetz für eine Steu- erbefreiung, dass die Mittel der juristischen Person aus- schliesslich 4 dem gemeinnützigen Zweck verhaftet sind und diese Zweckbindung unwiderruflich 5 ist. Schliesslich ist die tatsächliche Zweckverwirklichung erforderlich 6.

Ehrenamtlichkeit im Besonderen

Da in den Bundessteuergesetzen eine ausdrückliche Ver- ankerung des Erfordernisses der Ehrenamtlichkeit fehlt, kann dessen Herleitung nur auf dem Weg der Auslegung erfolgen. Die Praxishinweise der SSK halten fest, dass die ordentliche Tätigkeit von Stiftungsräten/Vereinsvor- ständen ehrenhalber geschehen soll. Entschädigt werden dürfen nur effektiv entstandene Kosten (Spesen), wobei moderate Sitzungsgelder ebenfalls noch toleriert werden können. Ausserdem können Stiftungsräte/Vereinsvorstän- de in gewissen Situationen im Rahmen einer vertraglichen Übereinkunft spezifische Projekte übernehmen und inso- weit marktüblich (moderat) entschädigt werden.

Im neueren Schrifttum wird – entgegen der geschilderten Praxis – unisono gefordert, dass vom strikten Erfordernis der Ehrenamtlichkeit abzurücken sei, wobei sich die Ho- norierung aber in einem angemessenen Rahmen bewegen soll 7. Im Rahmen der derzeit hängigen Parlamentarischen Initiative Luginbühl wird dasselbe gefordert. Das Bundes- gericht hat, ungeachtet der Kritik in der Lehre, das Erfor- dernis ehrenamtlich tätiger Leitungsorgane in einem Urteil von 2015 – freilich nur in einem obiter dictum – grund- sätzlich gestützt 8. Ebenso beharren die meisten kanto- nalen Steuerbehörden noch immer auf dem Erfordernis der Ehrenamtlichkeit, so etwa jene des Kantons Zürich, St. Gallen, Schwyz, Freiburg, Genf und Waadt. Zugeständ- nisse werden u.U. bei grösseren Stiftungen gemacht.

Stellungnahme

Das «Dogma der Ehrenamtlichkeit» entbehrt einer ge- setzlichen Grundlage und erscheint darüber hinaus nicht (mehr) sachgerecht. Hinzu kommt, dass es an einem zivilrechtlichen Entschädigungsverbot fehlt, weshalb die Steuerbehörden letztlich die zivilrechtlichen Wertungen unterlaufen.

Die Steuerbefreiung setzt voraus, dass die Stiftung/der Verein selbst gemeinnützig bzw. uneigennützig tätig wird. Eine Entschädigung derjenigen Personen, die Leistungen für sie/ihn erbringen, steht damit nicht in Widerspruch. Es ist nicht einzusehen, weshalb gerade von Stiftungsräten/ Vereinsvorständen «Opfer» abverlangt werden, nicht so aber von den übrigen Organen oder Beauftragten 9. Hinzu kommt, dass die fehlende Entschädigung nicht mehr zeit- gemäss ist und der auch im gemeinnützigen Sektor ge- forderten Professionalisierung entgegensteht. Vor diesem Hintergrund erscheint die von den Steuerbehörden aufge- zwungene Ehrenamtlichkeit verfehlt. Leitplanke sollte u.E. vielmehr eine marktkonforme Entschädigung darstellen.

Voraussetzung der Steuerbefreiung ist – wie gezeigt – auch, dass die Mittel ausschliesslich und unwiderrufl ich dem gemeinnützigen Zweck verhaftet sind. Übermässige Entschädigungen sind auch zivilrechts- resp. zweckwid- rig. Aus diesem Grund scheint es u.E. sachgerecht, wenn die Steuerbehörden auf eine detaillierte, transparente und massvolle Entschädigungsregelung pochen 10. Folglich hat die Honorierung – und zwar «en détail» – klarerweise Bestandteil des Steuerbefreiungsgesuchs zu sein.

Footnote

1 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990, SR 642.11.

2 Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden vom 14. Dezember 1990, SR 642.14.

3 Vgl. KS Nr. 12, S. 2 ff.

4 Möglich ist u.U. eine bloss teilweise Steuerbefreiung: Vgl. KS Nr. 12, S. 6.

5 Bei Stiftungen darf das Vermögen im Falle der Aufl ösung nicht an den Stifter zurückfallen, sondern ist einer ande- ren Organisation mit vergleichbarem Zweck zuzuhalten. Vgl. hierzu KOLLER THOMAS, Stiftungen und Steuern, in: Riemer (Hrsg.), Die Stiftung in der juristischen und wirtschaftlichen Praxis, Zürich 2001, S. 60 ff.

6 Blossen Thesaurierungsstiftungen wird die Steuer- befreiung versagt. Vgl. KOLLER (FN 5), S. 64 f.

7 Vgl. zuletzt OPEL ANDREA, Ehrenamtlichkeit als Vorauss etzung der Steuerbefreiung – ein alter Zopf?, StR 2019, S. 84 ff.; RIEMER HANS MICHAEL/RIEMER-KAFKA GABRIELA/BLOCH-RIEMER RUTH, Die Entschädigung des Stiftungsrats im Privat-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht, in: Emmenegger/Hrubesch-Millauer/Wolf (Hrsg.), Brücken bauen, Festschrift für Thomas Koller, Bern 2018, S. 830 f. Weiter etwa BAUMANN LORANT ROMAN, Honorierung von Stiftungsräten, Jusletter vom 9. August 2010, Rz. 12 ff.; DEGEN CHRISTOPH, Das Schweizer Gemeinnützigkeitsrecht im europäischen Kon- text, in: Jakob (Hrsg.), Perspektiven des Stiftungsrechts in der Schweiz und in Europa, Basel 2010, S. 112.

8 Vgl. BGE 2C_484/2015 vom 10.12.2015, E. 5.5.1.

9 Zumal diese haftungsmässig am stärksten exponiert sind. Vgl. hierzu insb. GRÜNINGER HAROLD, Aktuelles aus dem Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsbereich, successio 2017, S. 141 FN 39.

10 Ebenso BAUMANN LORANT ROMAN, Der Stiftungsrat, Das oberste Organ gewöhnlicher Stiftungen, Diss. ZH 2009, S. 194 ff.; DERS. (FN 7), Rz. 12 ff.

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