Was als schön oder hässlich, als Kunst oder Kitsch gelten mag, ist naturgemäß Sache des Betrachters. Ob das Design eines Gebrauchsgegenstands Urheberrechtsschutz genießt, soll daher nicht von der Frage abhängen, inwieweit es ästhetische Wirkung entfaltet.

Mit Urteil vom 12. September 2019 (C-683/17) hat der EuGH klargestellt, dass Mustern und Modellen neben Designschutz auch Schutz als urheberrechtliches Werk zukommen kann. Hierfür müsse der Gegenstand objektiv identifizierbar sein und eine die Persönlichkeit und Entscheidungsfreiheit seines Schöpfers widerspiegelnde geistige Schöpfung darstellen. Dass er über seinen Gebrauchszweck hinaus eine ästhetische Wirkung entfalte, rechtfertige seine Einordnung als Werk hingegen nicht.

Ob Designnachahmungen auch urheberrechtlich begegnet werden kann, ist für Akteure der Designindustrie nicht unerheblich: während das eingetragene Design längstens 25 Jahre Schutz entfaltet, endet urheberrechtlicher Schutz frühestens 70 Jahre nach Tod des Schöpfers und bedarf keiner Registrierung.

Auf Urheberrecht angewiesen, da es Designrechte nicht hatte registrieren lassen, sah sich das Modeunternehmen G-Star beim Versuch, einem Kontrahenten die Nachahmung spezieller Jeans- und T-Shirt-Formen in Portugal zu untersagen. G-Star obsiegte in zwei Instanzen mit der Begründung, urheberrechtlicher Schutz von Werken der angewandten Kunst erfordere keinen besonderen Grad an ästhetischem Wert. Die Revisionsinstanz legte dem EuGH die Frage vor, ob Werken der angewandten Kunst urheberrechtlicher Schutz in gleicher Weise zukomme wie solchen der Literatur und Kunst, d. h. sofern sie eine gewisse Originalität derart aufwiesen, dass sie das Ergebnis der geistigen Schöpfung ihres Urhebers seien oder ob ihr Schutz von einem ästhetischen oder künstlerischem Wert abhängig zu machen sei.

Bereits in früheren Entscheidungen hatte der EuGH einheitliche Schutzvoraussetzungen für Gegenstände verschiedener Werkkategorien gefordert, wobei unklar blieb, ob dies auch für Werke der angewandten Kunst gelten soll oder ob für diese in Abgrenzung zum Designschutz weiterhin eine besondere Gestaltungshöhe ästhetischer Art zu fordern sei.Diese Unklarheit hebt der EuGH nun vermeintlich auf; zwar stellt er klar, dass für Gebrauchskunst keine abweichenden Schutzvoraussetzungen gelten, betont zugleich jedoch, dass Urheber- und Designschutz, um ihre grundverschiedene Zielsetzung nicht zu beeinträchtigen, nur in bestimmten Fällen kumuliert werden solle. Welche das sind, lässt er offen, klärt aber, dass das Kriterium des ästhetischen Überschusses – da Ergebnis subjektiver Betrachtung – zur Feststellung des Vorliegens einer persönlichen geistigen Schöpfung jedenfalls nicht tauge.

Allein der Umstand also, dass ein Gegenstand über seinen Gebrauchszweck hinaus eine ästhetische Wirkung entfaltet, kann Urheberrechtsschutz nicht begründen – ist aber umgekehrt auch keine Voraussetzung dafür.

Wie insbesondere deutsche Gerichte mit der Entscheidung umgehen werden, ist spannend. Der BGH hatte zwar bereits 2013 aufgegeben, höhere Anforderungen an den Urheberrechtsschutz für das Design von Gebrauchsgegenständen zu stellen (Geburtstagszug-Entscheidung). In der bis dahin geltenden Forderung, der Gegenstand müsse den durchschnittlichen Formenschatz deutlich überragen, sah der BGH keine Rechtfertigung mehr, nachdem mit Umsetzung der Muster- und Modellschutzrichtlinie das zuvor als kleine Urheberrecht" geprägte deutsche Geschmacksmusterrecht in ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht umgestaltet worden war. Der Sorge der deutschen Designindustrie vor vielfaltsschädlicher Monopolwirkung allerdings war der BGH mit der Einschränkung begegnet, weiterhin reiche für Urheberechtsschutz nicht, dass sich der Gegenstand bloß vom bestehenden Formenschatz unterscheide, vielmehr müsse er nach Einschätzung der mit Kunstanschauungen vertrauten Kreise über seine von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sein. Selbst dann komme ihm ein eher kleiner Schutzbereich zu, der einen Eingriff bei nur geringen – ästhetischen – Unterschieden ausschließe. Dies dürfte angesichts der Entscheidung des EuGH nun nicht länger gelten. Da allerdings offen bleibt, woran die persönliche geistige Schöpfung als Voraussetzung der Werkqualität stattdessen festzumachen ist, sollten Modehersteller ihre Designs auch künftig registrieren.

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