Am 4. Dezember 2019 hat die Eidgenössische Steuerverwaltung ("ESTV") ihre bestehende Praxis betreffend die Verwirkung des Anspruchs auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer ("VST") angepasst und dazu das Kreisschreiben 48 publiziert ("KS 48"). KS 48 konkretisiert den am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen neuen Absatz von Art. 23 des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer vom 13. Oktober 1965 ("VStG") und damit die Voraussetzung der ordnungsgemässen Deklaration: Neu ist namentlich der Ausschluss der Verwirkung bei Vorliegen von Fahrlässigkeit.

1. Voraussetzungen für die Rückerstattung der VST

In der Schweiz steuerlich ansässige natürliche Personen können die VST zurückfordern, sofern die steuerliche Zugehörigkeit der Leistungsempfängerin und das Nutzungsrecht an den Erträgen im Zeitpunkt deren Fälligkeit gegeben ist. Darüber hinaus müssen die Erträge sowie die Vermögenswerte für die Zwecke der Einkommens- und Vermögenssteuer ordnungsgemäss deklariert worden sein. Der Rückerstattungsanspruch hat innert drei Kalenderjahren nach Ende des Jahres, in dem die steuerbare Leistung fällig geworden ist, zu erfolgen und darf nicht zu einer Steuerumgehung führen.

2. Revision der Deklarationspflicht

2.1. Allgemein

Die Änderung des Art. 23 VStG revidiert die Praxis dahingehend, dass die Deklarationspflicht für Zwecke der VST auch dann erfüllt ist, wenn die Einkünfte erst nachträglich in einem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Veranlagungs-, Revisions- oder Nachsteuerverfahren durch die steuerpflichtige natürliche Person deklariert werden. Gleiches gilt, wenn die Steuerbehörde die der VST unterliegenden Einkünfte aus eigener Feststellung den Einkünften oder dem Vermögen der natürlichen Person hinzurechnet. In beiden Fällen gilt die Voraussetzung, dass die Deklaration fahrlässig unterlassen wurde. Selbst bei einer straflosen Selbstanzeige wird nun der Rückerstattungsanspruch bejaht, sofern die Vermögenswerte ursprünglich fahrlässig nicht deklariert wurden. Zur Erinnerung: Vor der Revision des Art. 23 VStG kam es gemäss Praxis der ESTV zu einer Verneinung der Rückerstattung bei der straflosen Selbstanzeige, da nicht ordnungsgemäss deklariert wurde.

Im Weiteren kann die Rückerstattung der VST gemäss Art. 23 VStG nach Ansicht der ESTV bei Vorliegen von Fahrlässigkeit auch bei einer Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen zur Anwendung kommen.

2.2. Fahrlässigkeit

Fahrlässigkeit wird angenommen, sofern die steuerpflichtige Person die Folgen ihres Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf keine Rücksicht nimmt. Wiederrum liegt Pflichtwidrigkeit dann vor, wenn die Vorsicht nicht beachtet wird, zu welcher die steuer pflichtige natürliche Person den Umständen entsprechend und unter Berücksichtigung seiner/ihrer persönlichen Verhältnissen verpflichtet gewesen wäre.

2.3. Beweispflicht

Wenn sich aus den Akten nicht ergibt, dass die belasteten Einkünfte fahrlässig nicht deklariert wurden, hat die steuerpflichtige natürliche Person darzulegen, d.h. mindestens glaubhaft zu machen, dass die Deklaration fahrlässig unterblieben ist.

3. Rückwirkendes Inkrafttreten

Die Neuerungen in Art. 23 VStG beziehen sich auf Rückerstattungsansprüche, die ab dem 1. Januar 2014 entstanden sind (sofern darüber noch nicht rechtskräftig entschieden wurde). Das KS 48 tritt rückwirkend auf den 1. Januar 2019 in Kraft

4. Fazit

Die Neuregelung in Art. 23 VStG führt zusammen mit dem KS 48 zu einer Präzisierung der Voraussetzung der "ordentlichen Deklaration" der VST. Eine Verweigerung der Rückerstattung sollte mit explizierter Berücksichtigung der Fahrlässigkeit in Art. 23 VStG somit lediglich in jenen Fällen erfolgen, bei welchen Vorsatz für die Nichtdeklaration gegeben ist.

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