Die Schweizer Wettbewerbskommission hat ihre revidierte Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung von Vertikalabreden verabschiedet. Sie wird am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Die revidierte Bekanntmachung orientiert sich an der EU Vertikal-GVO, enthält aber in wesentlichen Aspekten einen "Swiss Finish".

Ausgangslage

Die Schweizer Wettbewerbskommission ("WEKO") hat am 14. Dezember 2022 ihre revidierte Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden ("Vertikalbekanntmachung") inkl. Erläuterungen publiziert.1

Die revidierte Vertikalbekanntmachung wird am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Bestehende Verträge müssen innerhalb einer Übergangsfrist von einem Jahr an die neuen Vorschriften angepasst werden.

Neue Regeln für Vertikalabreden

Seit dem 1. Juni 2022 gilt in der EU die neue Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung ("Vertikal-GVO").

Mit der revidierten Vertikalbekanntmachung will die WEKO im Grundsatz Kongruenz zur Vertikal-GVO der EU-Kommission schaffen. Sie trägt aber auch der Schweizer Praxis und Rechtsprechung Rechnung und enthält deshalb in wesentlichen Aspekten einen "Swiss Finish".

Das Swiss Finish zeichnete sich bereits im Vernehmlassungsentwurf ab. Dieser wurde weitgehend übernommen und sah unter anderem Erleichterungen beim Allein- und Selektiv-vertreib, Anpassungen beim dualen Vertrieb und Änderungen beim Onlinevertrieb vor.2

Die revidierten Erläuterungen stellen zudem klar, dass wie in der EU zukünftig vertikale Wettbewerbsverbote, die für einen Zeitraum von fünf Jahren abgeschlossen werden, sich jedoch still-schweigend über diesen Zeitraum hinaus verlängern, grundsätzlich unproblematisch sind, sofern angemessene Kündigungs- bzw. Neuverhandlungsmöglichkeiten bestehen. Diese in der Vertriebspraxis der EU sehr begrüsste Neuerung haben die revidieren Erläuterungen ebenfalls übernommen.

Abweichungen von der EU Praxis

Strengere Regelungen als in der EU sieht sie insbesondere in Bezug auf Preisempfehlungen, Exportverbote und die Einschränkungen von Passivverkäufen vor. Damit möchte die WEKO der aus ihrer Sicht rechtlich und wirtschaftlich von der EU abweichenden Situation der Schweiz Rechnung tragen.

So sind die Voraussetzungen einer unzulässigen Preisbindung zweiter Hand in der neuen Vertikalbekanntmachung wesentlich tiefer angesetzt, als in der EU. Bereits eine intensiv kommunizierte Preisempfehlungen kann ohne zusätzlichen Druck oder Anreize als unzulässige vertikale Preisabrede qualifizieren.

Streng ist die Vertikalbekanntmachung auch in Bezug auf Exportverbote in die Schweiz. Anders als in der EU erfasst das Schweizer Kartellrecht auch Abreden, die ausserhalb der Schweiz geschlossen werden und potentielle Auswirkungen auf den Schweizer Markt haben können. So fallen beispielsweise Exportverbote für Vertriebs-partner im europäischen Wirtschaftsraum, die zum Ausschluss passiver Verkäufe an Händler oder Endkonsumenten in der Schweiz führen, unter das Schweizer Kartellrecht und sind grundsätzlich problematisch. Zudem können nach der Vertikalbekanntmachung bereits exklusive Bezugsverpflichtungen in der Schweiz, die direkt oder indirekt zu einem Ausschluss von passiven Verkäufen in die Schweiz führen, als absolute Gebietsschutzabreden qualifizieren.

Zusammenfassung und Ausblick

Obwohl sich die Vertikalbekanntmachung in weiten Teilen an der Rechtslage in der EU orientiert, sieht sie bei zentralen Fragen bewusst strengere Regelungen vor. Verträge mit Auswirkungen auf die Schweiz sind daher in der kartellrechtlichen Vertriebspraxis weiterhin auf die Einhaltung des "Swiss Finish" zu prüfen.

Footnotes

1. Die revidierte Vertikalbekanntmachung ist abrufbar unter: https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/74458.pdf

2. Eine Zusammenfassung des Vernehmlassungsentwurfs enthält unser Newsflash vom Juli 2022, abrufbar unter: https://www.lenzstaehelin.com/fileadmin/user_upload/newsflash/220707_Update_Newsflash_Competition_Law_Revision_of_the_Swiss_Vertical_Notice_DE.pdf

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