Rückzahlungsanspruch des Auftraggebers, Honorar nicht gleich Arbeitsvergütung

BAG vom 26.6.2019, 5 AZR 178/18

Der beklagte IT-Berater war auf vermeintlich selbstständiger Basis, ohne feste Stundenvorgabe, von 2001-2009 für das klagende Unternehmen tätig, zuletzt zu einem Stundenhonorar von EUR 60,00 pro Stunde zuzüglich Mehrwertsteuer. Das Unternehmen kündigte den Vertrag zum 16. März 2009. Der IT-Berater stellte daraufhin einen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung zur Klärung seines Status. Die Deutsche Rentenversicherung stellte am 10. März 2010, bestätigt durch das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 9. April 2014, fest, dass der IT-Berater tatsächlich Arbeitnehmer (gewesen) sei, und zog das Unternehmen zu Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung in Höhe von EUR 6.007,25 heran. Das Unternehmen verklagte daraufhin den IT-Berater auf Rückzahlung von insgesamt EUR 106.603,38 zu Unrecht gezahlten Honorars zuzüglich der Erstattung der EUR 6.007,25 für die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Dabei hatte das Unternehmen bereits EUR 50.014,07 als Vergütung für das tatsächliche Arbeitsverhältnis abgezogen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht entschieden zugunsten des IT-Beraters und wiesen die Klage ab. Das Bundesarbeitsgericht entschied zugunsten des Unternehmens, hob die Entscheidung des LAG auf und verwies den Rechtsstreit an das LAG zurück zur Ermittlung des konkret zurückzuzahlenden Betrages.

Das Bundesarbeitsgericht ging, wie die Vorinstanzen, davon aus, dass der Beratervertrag des selbstständigen IT-Beraters unwirksam war. Das BAG wies aber darauf hin, dass es dabei an die Feststellungen des Landessozialgerichts nicht gebunden gewesen sei, sondern eigenständig zu überprüfen habe, ob ein freies Dienst- oder ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Liegt, wie hier, tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vor, somit ein Fall der gemeinhin als Scheinselbstständigkeit bezeichnet wird, sind auch die über Jahre gezahlten Honorare ohne Rechtsgrund geleistet. Sie können daher von dem Unternehmen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zurückgefordert werden. Zugunsten des IT-Beraters griff auch nicht § 814 BGB ein, wonach eine Leistung nicht zurückverlangt werden kann, wenn sie in Kenntnis der fehlenden vertraglichen Grundlage geleistet worden ist, weil insoweit das klagende Unternehmen positive Kenntnis von der Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Beratervertrages hätte gehabt haben müssen, was hier nicht feststellbar war. Kennen müssen reicht hingegen nicht aus.

Allerdings musste das Unternehmen auf die Rückforderung sich das anrechnen lassen, was es auf der Grundlage des tatsächlich bestehenden Arbeitsverhältnisses hätte zahlen müssen. Insoweit hat allerdings BAG ausdrücklich entschieden, dass die Honorarvereinbarung eines selbstständigen IT-Beraters nicht mit der Bruttoarbeitsvergütung eines angestellten IT-Beraters gleichgesetzt werden kann. Das Honorar eines selbständigen IT-Beraters ist allein deshalb üblicherweise höher bemessen, weil dieser keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub, Krankenvergütung und Kündigungsschutz hat. Zu ermitteln ist die übliche Vergütung für einen angestellten IT-Berater. Die Arbeitgeberbeiträge auf diese (regelmäßig geringere) Vergütung musste das Unternehmen hingegen tragen, wie auch im Regelfall die Arbeitnehmerbeiträge.

Hinweis: Die Entscheidung ist in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Zum einen haben bisher wohl die meisten Arbeitsgerichte in der Regel so entschieden, wie in dem vorliegenden Fall die Vorinstanzen. D. h. ein Rückzahlungsanspruch ging im Regelfall ins Leere, weil die Arbeitsgerichte für das tatsächlich bestehende Arbeitsverhältnis die gleiche Bruttovergütung angesetzt haben wie für das vermeintliche (scheinselbständige) Dienstverhältnis. Die Folge war, dass es für den Scheinselbständigen relativ risikolos war, noch Jahre später zu behaupten, er sei in Wirklichkeit ein Arbeitnehmer gewesen. Die erhaltene (Honorar-)Vergütung konnte er regelmäßig behalten, lediglich der Arbeitgeber war verpflichtet, die Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen. Dies sieht das BAG jetzt anders. Für den Scheinselbständigen besteht nach dieser Entscheidung das signifikante Risiko, erhebliche Teile des in den letzten Jahren eingestrichenen Honorars zurückzahlen zu müssen und nur die übliche Arbeitsvergütung behalten zu dürfen. Wie hoch die Lücke zwischen der üblichen Arbeitsvergütung und dem zunächst bezahlten Honorar tatsächlich ist, hängt natürlich von der Branche ab. Gerade in der IT-Branche ist aber schon seit Jahren das Phänomen zu beobachten, dass viele Selbstständige ihnen angebotene Arbeitsverträge gar nicht in Betracht ziehen, weil sie als Selbstständige deutlich besser verdienen. Dann ist es aber nur konsequent, dass sie diesen Mehrverdienst" zurückzahlen müssen, wenn sie sich nachträglich auf den Schutz des Arbeitsverhältnisses berufen. Arbeitgeber hingegen, die ein freies Mitarbeiterverhältnis wählen, um vermeintlich hohe Arbeitslöhne zu sparen, gewinnen nichts, müssen gegebenenfalls sogar mit einer Nachzahlung rechnen.

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