Die Konsolidierung des deutschen KFZ-Versicherungsmarktes wird schon lange beschworen. Doch trotz anhaltend verlustreicher Phasen ist die Zahl der Anbieter über Jahre nahezu unverändert geblieben. Blickt man allerdings auf die jüngsten Entwicklungen in der Sparte dann scheint die Frage neue Aktualität zu gewinnen.

Inflation als Beschleuniger einer Marktkonsolidierung?

Während die Zahl der Anbieter über Jahrzehnte nahezu konstant geblieben ist, haben sich die Marktanteile deutlich verschoben. Insbesondere die HUK Coburg baut ihre Position als Marktführer seit Jahren kontinuierlich aus. Auch die Allianz gewinnt – namentlich durch ihre Joint Venture – weiter Marktanteile. Gleichzeitig schrumpfen viele mittelgroße und kleinere Versicherer. Versuche, den Vertragsbestand auszubauen, erweisen sich meist als wenig nachhaltig.

Die Lockdowns der letzten zwei Jahre haben die Unfallfrequenzen erheblich reduziert und der Branche deutliche Gewinne beschert. Die Inflation stellt die Versicherer jedoch vor erhebliche Herausforderungen. Zwar dämpfen Benzinpreise und gestiegene Lebens­haltungskosten weiterhin (private) Fahrleistungen und Schadenfrequenzen – doch reicht dies bei weitem nicht, um die steigenden Schadenkosten aufzufangen. Entsprechend hat die Branche deutliche Prämien­anhebungen angekündigt. Damit trifft sie auf Kunden, deren Budgets durch Energiekrise und Inflation spürbar verknappt sind. Die Bereitschaft, durch einen Wechsel der KFZ-Versicherung Geld zu sparen, dürfte so hoch sein wie nie.

Die KFZ-Versicherer sind hierfür unterschiedlich gerüstet. Der anstehende Jahreswechsel wird die Spreu vom Weizen trennen, und Schwächen schonungslos aufzeigen. Auf der Gewinnerseite stehen die Versicherer, die bereits vor Corona das Geschäft profitabel betrieben haben, gestützt auf eine moderne, margenoptimierte Produkt- und Pricing-Politik, einen starken Vertrieb und ein aktives Schadenmanagement mit entsprechenden Steuerungsquoten. Entscheidend wird darüber hinaus sein, wie weit Erträge aus der Corona-Zeit in die Reserven geflossen sind – und nun als Polster dienen können, um Beitragsanpassungen abzupuffern und gezielt wechselgeneigte Kunden anzuwerben. Wer dagegen operative Schwächen nicht durch entsprechende Reservepolster kompensieren kann, wird kaum Spielraum haben, wechselbereite Kunden zu halten, geschweige denn neue zu gewinnen.

Die Marktführer und Anbieter, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, dürften vom anstehenden Jahreswechsel deutlich profitieren. Für die übrigen Anbieter wird die Frage der künftigen strategischen Positionierung in der KFZ-Versicherungssparte zunehmend dringlicher; kurzfristig bleibt ihnen nur die Wahl, auf Kunden oder auf Ertrag zu verzichten. In jedem Fall schwindet der Spielraum für Investitionen in Neugeschäft und operative Fähigkeiten. Der Teufelskreis wird zum Treiber der Marktkonsolidierung – auch ohne Austritt von Anbietern.

Der Allianz X-Deal: Auf dem Weg in ein neues Endgame?

Aber allein die Ertragsschwäche ist meist noch kein Grund, sich von der KFZ-Sparte zu verabschieden. Die Sparte ist immer noch zu bedeutend als Kostenträger wie als Teil eines Rundum-Angebots, wie es im Markt weiterhin üblich ist.

Die operativen Anforderungen steigen gerade in dieser Sparte seit Jahren kontinuierlich. Dies reicht von der Notwendigkeit einer überzeugenden Online-Präsenz, über exponentiell steigende aktuarielle Anforderungen bis hin zu 24/7 Kundenservice und einer performanten Schadensteuerung. Gerade bei letzterer zeichnen sich inzwischen grundlegende Veränderungen ab.

Mit der Übernahme der Innovation Group hat die Allianz die – zumindest mittelbare – Kontrolle über zwei der drei großen deutschen Werkstattnetze übernommen. Daneben steht v.a. noch das Netz der HUK. Die HUK hat von Anbeginn mit ihrem Netz versucht, eine Gegenposition zu den Autoherstellern und deren Ersatzteil-Preispolitik aufzubauen.

Folgt man der Presse, so wollen Innovation Group und Allianz X die Vernetzung der Schadenprozesse weiter vorantreiben. Im Fokus steht offensichtlich die Vernetzung in das KFZ hinein. Bisher erst in Piloten erprobt, besteht hier ein erhebliches Disruptions­potenzial – für den Schadenprozess, wie wir ihn heute kennen, in der Folge aber auch für die Branche. Das vernetzte KFZ meldet den Schaden selber. Crash-Sensoren ermitteln das Schadenausmaß und berechnen die Reparaturkosten, Abschleppdienst und Werkstatt werden innerhalb von Sekunden beauftragt. Dem Versicherer bleibt nur noch die Zahlung, und auch die lässt sich automatisieren. Um Schäden derart reibungslos abzuwickeln, ist eine weitreichende Digitalisierung und Vernetzung erforderlich, die erhebliche Investitionen erfordern. Die entsprechenden Infrastrukturen zwischen Herstellern, Werkstätten, Kunden und Versicherer sind hoch skalensensitiv und bieten nur wenigen Anbietern Platz.

In einer solchen Welt hat die Mehrzahl heutiger KFZ-Versicherer nur die Möglichkeit, diese Leistungen zuzukaufen und damit einen gewichtigen Teil ihrer Schadenregulierung in dritte Hände zu legen. Die Möglichkeit, sich gerade im typischen Standard-Schadenfall zu differenzieren, schwindet. Selbst wenn es bis dahin noch einige Jahre dauert – die Vision ist mittlerweile keine Utopie mehr.

Strategische Weichenstellungen tun not

Wer aktuell als Versicherer auf der Gewinnerseite steht, der mag die jüngsten Ereignisse mit Gelassenheit betrachten. Die Frage, wem man sich in einer «schönen neuen Schadenwelt» für die Abwicklung der gängigen Blechschäden anvertraut, sollte dennoch besser früher als später gestellt werden. Die neue Schadenwelt wird von wenigen Akteuren dominiert. Sie werden Kosten und Servicequalität ihrer Versicherungs­partner bestimmen. Noch sind die Rollen nicht verteilt – die Weichen werden jedoch aktuell gestellt.

Wer schon heute Schwierigkeiten hat, sein KFZ-Portfolio profitabel auszubauen, der wird an dieser Stelle noch ein Stück weiter gehen müssen. Wie sinnvoll sind Investitionen in Produkte, Pricing und Vertrieb für ein ohnehin schon ertragsschwaches Portfolio? Angesichts der sich anbahnenden Neuordnung der Wertschöpfung im Schadenbereich sollte die Frage, wie Know-how-Synergien und Skalen auch in anderen Funktionen generiert werden können, nicht länger umschifft werden.

Fazit:

  • Der anstehende Jahreswechsel wird die Konsolidierung der Marktanteile in der K-Sparte weiter beschleunigen – auch ohne Marktaustritte.
  • Um die eigene Marktposition künftig noch zu behaupten, sind ein leistungsstarker Vertrieb, der den Mehrwert des Produktangebots gekonnt transportiert, ausgefeilte Pricing-Fähigkeiten sowie ein performantes Schadenmanagement wichtiger denn je.
  • Das «Endgame» beginnt jetzt: Im vernetzten KFZ werden nur noch wenige Anbieter wesentliche Teile der Schadenregulierung bestimmen – die Weichen, wer diese Anbieter und damit den Schaden künftig kontrolliert, werden aktuell gestellt.

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