Urteil Des Bger 5A_666/2012* Und Rtid II-2013, Nr. 11c**



A.Sachverhalt

Vorab sei bezüglich Sachverhalt, Prozessgeschichte und Erwägungen ergänzend auf den Beitrag von Roberto Fornito in dieser Angelegenheit hingewiesen.1

Die Erblasserin C. verstarb am 13. August 2003 und hinterliess als einzige gesetzliche Erbin ihre Tochter B. Zuvor war sie vom 26. Juni bis am 9. Juli wegen eines Brustkarzinoms im Regionalspital in Y. hospitalisiert worden. Im Anschluss daran war C. an eine Klinik in Z. überwiesen worden, wo ihr zur Schmerzlinderung hohe Dosen an Opiaten verabreicht worden waren und wo sie verstarb.

Im Anschluss daran wurden zwei eigenhändige Testamente eröffnet. Das erste Testament von 1973 begünstigte in Wesentlichen die Tochter B. Das zweite Testament wies den 26. April 2003 als Datum auf und sah die Enterbung von B. sowie die Einsetzung von A. als Alleinerbe vor.

B. erhob gegen A. eine Ungültigkeitsklage und beantragte, das Testament vom 26. April 2003 sei für ungültig zu erklären.

B. Prozessgeschichte und Erwägungen der Vorinstan

Nach einem fast siebenjährigen Verfahren sowie nach Einholung eines Schrift- und eines medizinischen Gutachtens erklärte das erstinstanzliche Gericht das Testament von 2003 am 11. Februar 2011 in Gutheissung der Klage für ungültig.

Das erstinstanzliche Gericht war zur Überzeugung gelangt, dass C. das eigenhändige Testament nicht am 26. April 2003 verfasst habe, sondern erst später, und zwar nach dem negativen Ergebnis des Mini Mental Status Test. Ferner wurde festgestellt, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der effektiven Errichtung des Testaments nicht urteilsfähig war. Auf Berufung hin bestätigte das Tessiner Appellationsgericht das Urteil der ersten Instanz mit Urteil vom 30. Juli 2012.2

Streitig war insbesondere die Richtigkeit der Datumsangabe. Das Tessiner Appellationsgericht rief die Grundsätze zur Echtheit einer testamentarischen Urkunde auf, insbesondere mit Verweis auf das Urteil des Bundesgerichts 5C.70/2000 vom 17. Juli 2000: Der Beweis der Echtheit der Testamentsurkunde – als Teilkomponente der Existenz einer letztwilligen Verfügung – sei von den Testamentsinteressenten zu führen. Die Ungültigkeit sei hingegen von den Anfechtenden zu beweisen. Darunter falle indes nicht der Beweis der Echtheit. Im diesem Bereich bestehe bei anscheinend einwandfreien Dokumenten zwar eine tatsächliche Vermutung für die Authentizität einer Urkunde. Diese natürliche Vermutung habe jedoch keine Auswirkung auf die Verteilung der Beweislast sondern erleichtere lediglich die Beweisführung. Bei dieser Sachlage stehe es der Anfechtenden offen, Beweise oder Umstände in den Prozess einzubringen, welche erhebliche Zweifel an die Echtheit der Urkunde begründen und die natürliche Vermutung somit umstossen würden. Diesfalls bleibe es bei der anfänglichen Beweislastverteilung zulasten der Testamentsinteressenten. Nicht nötig sei hingegen, dass die eingebrachten Beweismittel zur Überzeugung der Unechtheit führten. I.c. sei das Testament in formaler Hinsicht korrekt erstellt worden, weshalb von einer natürlichen Vermutung seiner Echtheit ausgegangen werden könne. In dieser Sachlage wäre es Sache der Anfechtenden gewesen, die Vermutung mit Bezug auf die Richtigkeit des Datums zu erschüttern. Im Falle der Umstossung der natürlichen Vermutung wäre es dann Sache des Testamentsinteressenten gewesen, die Richtigkeit des Datums oder die Erstellung des Testaments ausserhalb einer kritischen Periode zu beweisen (E. 5).

Das Beweisverfahren sei mit Bezug auf das effektive Datum ergebnislos («poco concludente») geblieben. Die angehörten Zeugen liessen höchstens den Schluss zu, dass keine Hinweise vorhanden seien, wonach die Erblasserin im Zeitpunkt der Hospitalisierung bereits testiert hätte. Die Beweisergebnisse würden nicht für eine Errichtung am 26. April 2003 sprechen und seien jedenfalls nicht geeignet, die von der Klägerin eingebrachten Zweifel zu widerlegen (E. 7–9).

Da nicht festgestellt werden könne, dass das Datum vom 26. April 2003 richtig sei, müssten die Rechtsfolgen analysiert werden. Das Datum sei in concreto relevant für die Frage der Urteilsfähigkeit, da C. vermutlich bereits in der ersten Woche ihres Aufenthalts in der Klinik in Z. urteilsunfähig war (gemäss Gutachten war sie nicht in der Lage gewesen, den Mini Mental Status Test zu vollenden). Da die Erblasserin ab dem 15. Juli 2003 nicht mehr urteilsfähig gewesen sei, sei nur ein Testament, welches vor diesem Datum erstellt worden sei, gültig (E. 10). Da der Beklagte (Testamentsinteressent) trotz der vorhandenen Zweifel die Richtigkeit des Datums nicht habe beweisen können, sei die letztwillige Verfügung aufzuheben (E. 12).

C.Erwägungen des Bundesgerichts

Gegen dieses Urteil erhob die Beklagte Beschwerde an das Bundesgericht. Mitunter wurde eine fehlerhafte Beweislastverteilung, mithin eine Verletzung von Art. 8 ZGB gerügt.

Indes verwarf das Bundesgericht die Rüge der fehlerhaften Beweislastverteilung. Mit Verweis auf BGE 130 III 321, E. 3.1. wurde erwogen, Art. 8 ZGB regle lediglich die Verteilung der Beweislast, mithin die Rechtsfolge der Beweislosigkeit mit Bezug auf eine Tatsache, für welche eine Partei beweispflichtig sei. In casu habe aber die Vorinstanz die Unrichtigkeit des Datums sowie die Unmöglichkeit, das effektive Errichtungsdatum anderweitig zu ermitteln, festgestellt, weshalb die Beweislastverteilung keine Rolle spiele (E. 4.2.1).

Schliesslich trat das Bundesgericht auf die Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung nicht ein, da sich diese in einer rein appellatorischen Kritik am vorinstanzlichen Urteil erschöpfe (E. 4.2.2.).

D.Bemerkungen

Art. 520a ZGB, das die Folgen der fehlerhaften oder fehlenden Datierung regelt, trat am 1. Januar 1996 in Kraft. Mit dem vorliegend kommentierten Urteil 5A_666/2012 befasst sich das Bundesgericht seither zum ersten Mal – wenn auch nur am Rande – mit der Thematik der Richtigkeit der Datierung.3 Insbesondere das kantonale Urteil gibt Anlass zu einigen Bemerkungen im Zusammenhang mit der Beweislastverteilung im Falle von unrichtigen Datumsangaben.

Wie oben erörtert ging die Vorinstanz davon aus, die Beweislast für die Richtigkeit des Datums obliege dem Testamentsinteressenten, analog der Rechtslage bei unechten Testamenten.4 Gemäss Art. 520a ZGB ist ferner zu beachten, dass die Unrichtigkeit des Datums nur bei sog. Opportunität ausgesprochen werden kann, d.h. wenn das Datum für die Gültigkeit des Testaments überhaupt relevant ist.5 Im vorliegend besprochenen Fall war das Datum z.B. relevant für die Beurteilung der Testierfähigkeit der Erblasserin.

Unumstritten scheint, dass eine «sich als Einheit darstellende Testamentsurkunde»6 eine sog. Authentizitätsvermutung, d.h. eine Vermutung für deren Richtigkeit und Echtheit schafft.7 Diese Authentizi- tätsvermutung greift nach allgemeiner Auffassung auch für die Richtigkeit des Datums.8 Daraus folgert Breitschmid, wer die Richtigkeit des Datums bestreite, habe die Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit und die Relevanz des geltend gemachten Mangels (im Sinne von Art. 520a ZGB) darzutun. Sei die Opportunität der Datierung nachgewiesen, obliege dem aus dem Testament Begünstigten der (ausreichend genaue) Nachweis, in welchem Zeitraum das Testament errichtet bzw. dass es ausserhalb einer kritischen Periode errichtet wurde.9

Gemäss Abt soll die Beweislast für beides dem Anfechtenden auferlegt werden: Dieser müsse einerseits die Erforderlichkeit der (richtigen) Datumsangabe nachweisen und trage die Beweislast für eine hinreichend genaue zeitliche Einordnung der Testamentserrichtung. Umgekehrt verhalte es sich nur bei fehlendem Datum und nachgewiesener Opportunität desselben.10

Fraglich ist, wer den Hauptbeweis und wer lediglich den Gegenbeweis erbringen muss.

Soweit ersichtlich geht die Lehre allgemein davon aus, dass die Existenz einer letztwilligen Verfügung von demjenigen (Erben oder Vermächtnisnehmer) zu beweisen ist, der sich auf das Testament beruft,11 wobei unter die Existenz auch die Echtheit zu subsumieren ist.12 Die Beweislast für Formmängel wird hingegen grundsätzlich dem Anfechtenden aufgebürdet. 13  Wie man sieht ging die Vorinstanz i.c. davon aus, die Beweislast für die Richtigkeit des Datums obliege dem Testamentsinteressenten, was zumindest im Gegensatz zur Meinung von Abt steht.14 Eine bundesgerichtliche Klärung wäre bei dieser Sachlage m.E. nicht nur wünschenswert, sondern geboten gewesen. Wie erörtert war das Beweisergebnis bezüglich der Richtigkeit des Datums gerade offen geblieben,15 weshalb sich das Bundesgericht mit der Rüge hätte auseinandersetzen müssen.

Klar ist m.E., dass die in Lehre und Rechtsprechung verwendete Aussage, wonach eine eigenhändige Datumsangabe eine natürliche Vermutung für deren Richtigkeit schaffe,16 dogmatisch nur Sinn ergibt, wenn davon ausgegangen wird, dass die Beweislast grundsätzlich beim Testamentsinteressenten liegt.17 Ansonsten brauchte es keine solche natürliche Vermutung zu Gunsten des Testamentsinteressenten: Der Anfechtende müsste nämlich den vollen Beweis für Opportunität und Unrichtigkeit des Datums führen. Dies liesse aber keinen Raum für eine natürliche Vermutung übrig.

Darüber hinaus ist schwer verständlich, weshalb die Beweislastregeln für die Testamentsechtheit auf die Richtigkeit des Datums übertragen werden sollten.

Bei der Echtheit des Testaments handelt es sich nämlich um eine rechtsbegründende Tatsache, welche nach den allgemeinen, aus Art. 8 ZGB fliessenden Beweislastregeln, vom Interessenten zu beweisen ist.18 Gleichzeitig ist die Existenz/Echtheit des (neueren) Testaments gegenüber Bedachten aus früheren letztwilligen Verfügungen oder gegenüber gesetzlichen Erben eine rechtsvernichtende Tatsache, deren Beweis bekanntlich dem Anspruchsgegner obliegt.19 Wieso es sich bei der Richtigkeit des Datums gleich verhalten sollte, ist nicht klar. Insbesondere seit der Einführung von Art. 520a ZGB muss davon ausgegangen werden, dass nicht das richtige Datum rechtsbegründend wirkt, sondern ein unrichtiges Datum bei gegebener Opportunität zum Untergang der letztwilligen Verfügung führt, mithin rechtsvernichtend wirkt. Wie bei den übrigen Ungültigkeitsgründen müsste somit davon ausgegangen werden, dass der Anfechtende die Folgen einer allfälligen Beweislosigkeit zu tragen hat.

Footnotes

1 Fornito Roberto, Formungültigkeit eines eigenhändigen Testaments wegen falscher Angabe des Errichtungsdatums, successio 2014, S. 158 f.

2 Urteil des Tessiner Appellationsgerichtes 11.2011.37 vom 30. Juli 2012 (auf www.sentenze.ti.ch erhältlich); teilweise publiziert in RtiD II-2013, Nr. 11c.

3 Vgl. Fornito Roberto, Formungültigkeit eines eigenhändigen Testamens wegen falscher Angabe des Errichtungsdatums, Urteilsbesprechung des Urteils 5A_666/ 2012, successio 2014, S. 158 ff., S. 159.

4 Siehe hierzu Bizzarro Matthias, Mängel handschriftlicher Testamente, AJP 11/2016, S. 1480 ff., S. 1491 f.

5 Vgl. PraxKomm Erbrecht-Abt, N 6 ff. zu Art. 520a ZGB; BSK-Breitschmid, N 5 zu Art. 520a ZGB.

6 BGE 82 II 302, E. 3.

7 PraxKomm Erbrecht-Abt, N 10 zu Art. 520a ZGB; BSK-Breitschmid, N 7 zu Art. 520a ZGB.

8 BGE 80 II 302, E. 3; 75 II 343, E. 2; Breitschmid Peter, Revision der Formvorschriften des Testaments – Bemerkungen zur Umsetzung der «Initiative Guinand» ZBJV 131/1995 S. 179 ff. (zit. Revision), Rz. 6; Prax- Komm Erbrecht-Abt, N 10 zu Art. 520a ZGB; BSK-Breitschmid, N 7 zu Art. 520a ZGB.

9 Breitschmid (Fn. 7), Revision, Rz. 6; vgl. auch BSK-Breitschmid, N 7 zu Art. 520a ZGB.

10 PraxKomm Erbrecht-Abt, N 10 zu Art. 520a ZGB; vgl. auch Abt Daniel, Die Ungültigkeitsklage im schweizerischen Erbrecht, Diss. Basel 2001, Basel/Genf/München 2002, S. 166.

11 Bizzarro (Fn. 4), S. 1491 f.; Breitschmid Peter, Formvorschriften im Testamentsrecht, Diss., Zürich 1982 (zit. Diss.), Rz. 411; BK-Tuor, N 13 zu Art. 519 ZGB; ZK-Escher, N 9 zu Art. 519 ZGB; BK-Walter, N 638 zu Art. 8 ZGB; Piotet Paul, Inéxistence et invalidité des dispositions à cause de mort, JdT 1969 I, S. 164 ff., S. 165.

12 Bizzarro (Fn. 4), a.a.O.; Breitschmid (Fn. 10), Diss., Rz. 411; ZK-Escher, N 9 zu Art. 519 ZGB; BK-Tuor, N 13 zu Art. 519 ZGB; vgl. Urteil des BGer 5C.70/2000 vom 17. Juli 2000, E. 3b); Piotet Paul, (Fn. 10), S. 165.

13 Bizzarro (Fn. 4), S. 1491; Breitschmid (Fn. 10), Diss., Rz. 411; BK-Tuor, N 13 zu Art. 519 ZGB; BK-Walter, N 638 zu Art. 8 ZGB; Eigenmann Antoine, in: Commentaire du droit des successions, Bern 2012, N 27 zu Art. 519 ZGB und 6 zu Art. 520 ZGB; vgl. Abt (Fn. 9), S. 166; vgl. auch BGE 98 II 73, E. 4; 80 II 302, E. 3; KGer VS, RVJ 1991, S. 219 ff., E. 4b); OGer ZH, ZR 90/1991, Nr. 55, E. 3b; Piotet Paul, (Fn. 10), S. 165.

14 Breitschmid (Fn. 7), Revision, Rz. 6, spricht hingegen davon, dass der Anfechtende die Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit zu beweisen habe, was im Ergebnis der Konzeption des Tessiner Appellationsgerichtes gleicht.

15 Urteil des Tessiner Appellationsgerichtes 11.2011.37 vom 30. Juli 2012, E. 12: «Ne discende che in concreto [A.] non è riuscito a dimostrare l'autenticità della data – dubbia – indicata dalla testatrice sul testamento olografo, ciò che rende impossibile accertare se l'atto sia stato steso prima del 15 luglio 2003, prima cioè che alla testatrice venisse meno una sufficiente lucidità».

16 BGE 80 II 302, E. 3; 75 II 343, E. 2; Breitschmid (Fn. 7), Revision, Rz. 6; PraxKomm Erbrecht-Abt, N 10 zu Art. 520a ZGB; BSK-Breitschmid, N 7 zu Art. 520a ZGB.

17 So im Ergebnis wohl Breitschmid (Fn. 7), Revision, Rz. 6; vgl. auch BSK-Breitschmid, N 7 zu Art. 520a ZGB.

18 Vgl. BSK-Lardelli, N 42 zu Art. 8 ZGB; Tuor Peter/ Schnyder Bernhard/Jungo Alexandra, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 14. Aufl., Zürich 2015, N 7 zu § 7; BK-Walter, N 265 zu Art. 8 ZGB m.w.Verw.; vgl. auch BGE 132 III 60, E. 3a) sowie Urteil des BGer 9C_634/2014 vom 31. August 2015, E. 6.3.4.

19 Vgl. BSK-Lardelli, N 56 ff. zu Art. 8 ZGB; Tuor/ Schnyder/Schmid, (Fn. 17) N 7 zu § 7; BK-Walter, N 281 ff. zu Art. 8 ZGB m.w.Verw.; vgl. auch BGE 132 III 60, E. 3a) sowie Urteil des BGer 9C_634/2014 vom 31. August 2015, E. 6.3.4.

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