Das Bundesgericht hat seine Praxis zur zulässigen Dauer von Verträgen bestätigt und anhand des Beispiels eines seit rund 30 Jahren bestehenden Aktionärbin-dungsvertrages präzisiert, unter welchen Voraussetzungen eine übermässige Bindung vorliegt, welche zur Folge hat, dass ein unkündbarer Vertrag zeitlich be-grenzt wird und dahinfällt.

In einem Entscheid vom 27. Juni 2017 (4A_45/2017) befasste sich das Bundesgericht mit der Frage der Wirksamkeit bzw. der zulässigen Dauer eines als un-kündbar auf unbestimmte Zeit" abgeschlossenen Akti-onärbindungsvertrages (ABV).

Im Jahre 1985 gründeten A. und B. zusammen mit C. die D. AG und schlossen einen ABV ab, welcher unter anderem Bestimmungen über ein gegenseitiges Vor-kaufsrecht, den Anspruch auf Einsitznahme in den Verwaltungsrat sowie auf Ausschüttungen der Aktien-gesellschaft enthielt. Der Vertrag wurde als unkündbar bezeichnet und es wurde für den Fall einer Verletzung des ABV eine Konventionalstrafe von CHF 40'000 vereinbart. Während bei der Gründung sämtliche Akti-onäre im Verwaltungsrat vertreten waren und A. als Geschäftsführer der Gesellschaft amtete, schieden B. Ende 1986 und A. und C. – der 2004 verstarb - per Ende 2001 aus dem Verwaltungsrat aus. Im gleichen Jahr beendete A. auch seine Tätigkeit als Geschäfts-führer.

Nachdem 1998 erfolglose Gespräche über eine Anpas-sung des ABV stattgefunden hatten, kündigte A. 1999 den ABV. Dem widersetzte sich B. und beantragte ab 1999 bis 2014 jeweils an der Generalversammlung seine Wahl in den Verwaltungsrat, ohne jedoch gewählt zu werden. 2013 klagte B. gegen A. und verlangte einerseits die Bezahlung einer Konventionalstrafe von CHF 160'000 und anderseits, dass A. zu verpflichten sei, ihn an der nächsten Generalversammlung in den Verwaltungsrat zu wählen. Diese Rechtsbegehren wurden sowohl vom erstinstanzlichen Gericht als auch vom kantonalen Obergericht geschützt, worauf A. gegen letzteren Entscheid Beschwerde ans Bundesge-richt erhob.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtswirksamkeit des ABV nach der 1999 erfolgten Kündigung durch A. bestätigte das Bundesgericht zunächst seine neuere Praxis (vgl. BGE 129 III 209), dass ein Vertrag im Falle einer übermässigen, die Persönlichkeitsrechte gemäss Art. 27 Abs. 2 ZGB verletzenden Bindung (Knebe-lungsvertrag") nur dann als nichtig zu betrachten sei, wenn die übermässige Bindung den höchstpersönli-chen Kernbereich einer Person betreffe. Dies sei bei ABV regelmässig nicht der Fall, so dass bei einem ABV lediglich ein Recht auf einseitige Vertragsbeendigung bestehe. Im genannten Entscheid offengelassen wurde aber, ob es dazu einer Willenserklärung der anderen Partei bedarf oder ob eine unmittelbare Nichteinhaltung des Vertrages zulässig sei.

Dazu hielt das Bundesgericht zunächst fest, dass es sich bei der Berufung auf Art. 27 ZGB nicht um einen Anwendungsfall der Kündigung eines Dauerschuldver-hältnisses aus wichtigen Gründen handelt und definier-te den Unterschied wie folgt: Ein wichtiger Grund für eine Kündigung ergibt sich regelmässig aus einer Ver-änderung der objektiven Vertragsgrundlagen oder der persönlichen Verhältnisse einer Vertragspartei. Dem-gegenüber ergibt sich die übermässige Bindung ge-mäss Art. 27 ZGB vor allem aus der Vertragsgestaltung selbst in Kombination mit der Bindungsdauer.

Dabei präzisierte das Bundesgericht seinen früheren Entscheid, indem es festhielt, dass eine übermässige Bindung weder vom Gericht von Amtes wegen festzu-stellen noch mittels Kündigung oder gar Klage geltend zu machen sei. Vielmehr stehe der betroffenen Person eine (untechnische) Einrede" gegen den Erfüllungsan-spruch des Kontrahenten zu, so dass diese gestützt darauf einfach die Vertragserfüllung verweigern könne.

Das Bundesgericht erinnert in seiner Begründung daran, dass Verträge nicht auf ewige Zeit geschlossen werden können und Art. 27 ZGB nicht vor langer Ver-tragsdauer, sondern nur vor übermässiger Bindung schützt. Sieht ein Vertrag keine Kündigungsmöglichkeit vor, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurtei-len, wann der Zeitpunkt gekommen ist, in dem das Vertragsverhältnis aufgelöst werden kann. Dabei wird eine Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit nur dann als übermässig qualifiziert, wenn sie den Ver- pflichteten der Willkür des anderen ausliefert, seine wirtschaftliche Freiheit aufhebt oder diese in einem Masse einschränkt, dass die Grundlagen der wirt-schaftlichen Existenz gefährdet sind.

Bei der Prüfung der Frage, ob in einem Fall eine über-mässige Bindung vorliegt, sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Geltendmachung der übermässigen Bindung zu beurteilen. Massgebend ist in diesem Zu-sammenhang die tatsächliche Freiheitsbeschränkung und wie der Vertrag tatsächlich gehandhabt wurde, was von der Gesamtheit der vom Vertrag geregelten Ge-genstände, der den Parteien auferlegten Pflichten und deren Dauer abhängt.

Das Bundesgericht hält in seinem Entscheid fest, dass in einem ABV eine lange Bindung zulässig ist, wenn die Bindung an die Aktionärseigenschaft gekoppelt ist und diese zu fairen, nicht erheblich erschwerten Bedingun-gen aufgegeben werden kann.

Im zu beurteilenden Fall enthielt der ABV einerseits ein Vorhandrecht (Vorkaufsrecht) – wobei ein Vorkaufs-recht als solches auch im Hinblick auf eine Unterneh-mensnachfolge noch keine übermässige Bindung dar-stellt – und andererseits eine Pflicht, den ABV auf Rechtsnachfolger zu übertragen. Da der ABV zudem weitere Bestimmungen umfasste, welche auf eine Beibehaltung der ursprünglichen Kräfteverhältnisse ausgerichtet waren wie die Mitwirkung im Verwaltungs-rat und ein nicht veränderbares Verhältnis zwischen den Löhnen und Lohnerhöhungen der Parteien, schloss das Bundesgericht, dass sich die Aktien kaum auf ausgewogene Weise auf mehrere Personen über-tragen liessen, was eine Nachfolgeplanung erschwerte und einem Generationenwechsel im Wege stand.

Im vorliegenden Fall beurteilte das Bundesgericht deshalb die Bindung des bereits seit rund 30 Jahren bestehenden ABV insgesamt als übermässig, weil dieser – eine Generation nach dessen Abschluss - die persönliche Gestaltungsfreiheit bei der Nachfolgepla-nung des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 27 ZGB übermässig beschränkte. Dem trug das Bundesgericht Rechnung, indem der ABV zeitlich begrenzt wurde und mit Wirkung ex nunc (d.h. ab dem Zeitpunkt der über-mässigen Bindung) dahinfiel.

KOMMENTAR

Im Rahmen von Verhandlungen von Aktionärbindungsverträgen bildet deren zulässige Dauer bzw. die Zulässigkeit einer unbestimmten Dauer regelmässig Gegenstand von Diskussionen.

Angesichts des Risikos, dass sich eine solche Regelung wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte als ungültig erweisen könnte, wird dabei im Interesse der Rechtssicherheit bzw. einer klaren Kündigungsregelung oft postuliert, einen ABV hinsichtlich seiner Dauer z.B. auf 10 Jahre zu beschränken. Dem steht jedoch das Interesse entgegen, die Verhältnisse unter den Aktionären langfristig und wie in den Statuten für die gesamte Dauer der Aktionärseigenschaft zu regeln und somit namentlich zu verhindern, dass vereinbarte Vorkaufs- und Kaufrechte infolge Kündigung oder Ablauf der festen Vertragsdauer dahinfallen.

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts bringt eine willkommene Präzisierung der anwendbaren Grundsätze, indem es einerseits bestätigt, dass die Vereinbarung einer unbestimmten, an die Aktionärseigenschaft geknüpfte Vertragsdauer zulässig ist und auch eine übermässig lange Dauer einen Aktionärbindungsvertrag nicht nichtig macht, und andererseits die Kriterien für die Annahme einer übermässigen Bindung und das Vorgehen für deren Geltendmachung präzisiert.

Diese Grundsätze sind nicht nur auf Aktionärbindungsverträge, sondern auf alle Arten langfristig ausgelegter Verträge sinngemäss anwendbar.

OKTOBER 2017

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