Der Bundesrat hat die Bestimmungen der Bankenverordnung ("BankV") über die gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen einer Revision unterzogen. Zum Einen wird in der BankV neu festgehalten, dass die Entgegennahme von Geldern zu Abwicklungszwecken keine Entgegennahme von Publikumseinlagen darstellt, wenn die Abwicklung innerhalb von 60 Tagen erfolgt. Bis anhin betrug diese Frist nach der Praxis der FINMA lediglich sieben Tage. Zum Anderen gilt die Entgegennahme von Publikumseinlagen bis zu einem Betrag von CHF 1 Mio. inskünftig nicht mehr als gewerbsmässig. Die revidierten Bestimmungen sind vom Bundesrat auf den 1. August 2017 in Kraft gesetzt worden.

Nach Art. 1 Abs. 2 des Bankengesetzes ("BankG") ist die gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen Instituten vorbehalten, welche über eine Bewilligung der FINMA als Bank verfügen. Anderen Personen ist eine solche Tätigkeit strikt untersagt. Diese Regelung zielt auf den Schutz der Gläubiger ab. Indem Personen, welche gewerbsmässig Gelder entgegennehmen, spezifische Anforderungen erfüllen müssen – wie beispielsweise in Bezug auf Eigenmittel und Liquidität –, sollen Personen, welche Gelder zur Verfügung stellen, vor einem Ausfall ihrer Forderungen geschützt werden.

Aufgrund dieses Schutzzwecks von Art. 1 Abs. 2 BankG wird der Begriff der Publikumseinlage in der Praxis sehr weit gefasst. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nimmt eine Person bereits dann eine Publikumseinlage entgegen, wenn sie eine Verbindlichkeit gegenüber einer anderen Person eingeht und dadurch selbst zur Rückzahlungsschuldnerin wird. Gewerbsmässig war eine solche Entgegennahme von Publikumseinlagen bis anhin immer dann, wenn eine Person dauernd mehr als 20 Publikumseinlagen entgegennahm oder sich öffentlich zur Entgegennahme von Publikumseinlagen empfahl, selbst wenn daraus weniger als 20 Einlagen resultierten.

Gemäss Art. 1 Abs. 2 BankG kommt dem Bundesrat die Kompetenz zu, Ausnahmen vom Verbot der gewerbsmässigen Entgegennahme von Publikumseinlagen vorzusehen, sofern der Schutz der Einleger gewährleistet bleibt. Gestützt auf diese Bestimmung definierte der Bundesrat in Art. 5 Abs. 2 und 3 BankV bereits in der Vergangenheit eine Reihe von Umständen, unter welchen das Eingehen einer Verbindlichkeit nicht als Publikumseinlage gilt. Nach der Praxis der FINMA war bzw. ist diese Aufzählung von Ausnahmen abschliessend. Damit bestand für Geschäftsmodelle, welche darauf beruhen, dass von Dritten Gelder entgegengenommen werden, in der Schweiz bis anhing ein relativ starres Korsett: Sofern keine der Ausnahmen nach Art. 5 Abs. 2 und 3 BankV Anwendung fand und Verbindlichkeiten gegenüber mehr als 20 Personen eingegangen wurden, musste die FINMA um eine Bewilligung als Bank ersucht werden.

Vor diesem Hintergrund ist in der jüngeren Vergangenheit vermehrt der Ruf laut geworden, dass die Bestimmungen über die gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen gelockert werden müssten, namentlich um die Entwicklung von neuen, innovativen Geschäftsmodellen im Bereich Fintech nicht schon im Keim zu ersticken. Die Erlangung einer Bewilligung als Bank erweist sich nämlich als aufwändiges und teures Unterfangen. Zunächst müssen ein Mindestkapital von CHF 10 Mio. aufgebracht und verschiedene Anforderungen an das Eigenkapital und die Liquidität erfüllt werden. Weiter bestehen für Banken auch weitreichende Erfordernisse in Bezug auf die Qualifikation des Personals sowie die Organisation. Gerade für ein Start-up-Unternehmen, das darauf angewiesen ist, ein neu entwickeltes Geschäftsmodell zuerst am Markt testen zu können, stellen diese Anforderungen ein kaum überwindbares Hindernis dar. Die vom Bundesrat verabschiedete Revision der Bestimmungen zur gewerbsmässigen Entgegennahme von Publikumseinlagen zielte darauf ab, diese Markteintrittshürden abzubauen.

1. Anwendungsbereich der neuen Bestimmungen

Die neuen Bestimmungen der BankV werden vielfach als "Fintech-Regeln" bezeichnet. Dies darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die revidierten Normen für jedermann anwendbar sind. Ein Unternehmen muss mit anderen Worten nicht ein speziell innovatives Geschäftsmodell verfolgen, um sich auf die vom Bundesrat verabschiedeten Erleichterungen berufen zu können. Damit unterscheidet sich das schweizerische Regulierungs-Modell insbesondere von demjenigen im Vereinigten Königreich. Dort wird vorgesehen, dass sich Unternehmen bei der FCA bewerben müssen, wenn sie ihr Geschäftsmodell bewilligungsfrei in einer "Sandbox" testen wollen (vgl. hierzu auch unseren Beitrag vom 11. Juli 2016). Daraufhin wählt die FCA die ihr geeignet erscheinenden Unternehmen aus, wobei hierfür vor allem auch der Innovationsgrad des zu testenden Geschäftsmodells eine Rolle spielt. Eine derartige Einschränkung besteht in der Schweiz nicht. Hier soll vielmehr der Markt darüber entscheiden, ob einem Geschäftsmodell Erfolg beschieden ist.

2. Erweiterung der Ausnahme für die Entgegennahme von Einlagen zu Abwicklungszwecken

Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV hielt bis anhin fest, dass Habensaldi auf Konten von Effekten- oder Edelmetallhändlern, Vermögensverwaltern oder ähnlichen Unternehmen, die einzig der Abwicklung von Kundengeschäften dienen, dann nicht als Publikumseinlagen gelten, wenn für sie kein Zins bezahlt wird. Nach der bisherigen Praxis der FINMA durften solche Einlagen wie einleitend bereits erwähnt allerdings nur bis zu sieben Tagen gehalten werden, damit man sich auf diese Ausnahme berufen konnte. Wurde diese Frist überschritten, lag nach Auffassung der FINMA eine gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen vor und es musste eine Bankenbewilligung beantragt werden.

Die bisherige Frist von sieben Tagen erwies sich insbesondere im Bereich des Crowdfunding als Hindernis. Typischerweise wird von den Geldnehmern im Rahmen einer Finanzierungskampagne nämlich ein bestimmter Mindestbetrag festgelegt, der von den Geldgebern auf jeden Fall aufgebracht werden muss, damit ein Projekt umgesetzt werden kann. Wird diese Finanzierungsschwelle nicht erreicht, fliesst das Geld zurück an die Geldgeber. Nach dem bisherigen Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV war eine Crowdfunding-Plattform somit gezwungen, die von den Geldgebern aufgebrachten Gelder entweder innerhalb von sieben Tagen an die Geldnehmer weiterzuleiten oder aber an die Geldgeber zurückzuzahlen. Wenn für die Mittelbeschaffung mehr Zeit beansprucht werden musste – was in der Praxis regelmässig der Fall war – konnte die Ausnahme für die Entgegennahme von Publikumseinlagen zu Abwicklungszwecken nicht zum Tragen kommen.

Der revidierte Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV hält nunmehr im Wesentlichen fest, dass Habensaldi auf Konten von Effekten- oder Edelmetallhändlern, Vermögensverwaltern oder ähnlichen Unternehmen, die einzig der Abwicklung von Kundengeschäften dienen, nicht als Publikumseinlagen gelten, wenn:

  • dafür kein Zins bezahlt wird; und
  • die Abwicklung innert 60 Tagen erfolgt.

Im Erläuterungsbericht des Bundesrats wird ausdrücklich festgehalten, dass als "ähnliche Unternehmen" im Sinne des revidierten von Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV insbesondere auch Crowdfunding-Plattformen gelten. Damit ist klar, dass sich Crowdfunding-Plattformen fortan auf die Ausnahme für die Entgegennahme von Publikumseinlagen zu Abwicklungszwecken berufen können, wenn die in Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV genannten Voraussetzungen erfüllt werden.

3. Anhebung der Schwelle zur Gewerbsmässigkeit

Nach dem bisherigen Art. 6 BankV lag eine gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen vor, wenn eine Person dauernd mehr als 20 Publikumseinlagen entgegennahm oder sich öffentlich zur Entgegennahme von Publikumseinlagen empfahl. Eine Ausnahme von dieser Bestimmung für Personen, welche nur in einem betragsmässig geringem Umfang Publikumseinlagen entgegennahmen, existierte bis anhin nicht. Nach dem ehemaligen Art. 6 BankV handelte somit auch gewerbsmässig, wer von mehr als 20 Kunden bloss sehr kleine Beträge entgegennahm.

Die Geschäftsmodelle im Fintech-Bereich richten sich in aller Regel an einen grösseren Personenkreis. Unternehmen, welche solche Geschäftsmodelle entwickeln wollen, fielen nach der bisherigen Regelung daher bereits früh in den Anwendungsbereich des BankG, auch wenn sie bloss in betragsmässig geringem Umfang Publikumseinlagen entgegennahmen. Nach der Auffassung des Bundesrats wirkte sich der bisherige Art. 6 BankV somit innovationshindernd aus, weil die Bestimmung Markteinsteigern keinen Raum liess, ihr Geschäftsmodell auf seine konzeptionelle und ökonomische Wirksamkeit zu prüfen, bevor sie sich für die teure Bankenbewilligung entscheiden mussten.

Aus diesem Grund schuf der Bundesrat mit der Revision der BankV quasi eine "Freigrenze" für die Entgegennahme von Publikumseinlagen. Nach dem neuen Art. 6 Abs. 2 BankV handelt nicht mehr gewerbsmässig, wer dauernd mehr als 20 Publikumseinlagen entgegennimmt oder sich öffentlich dafür empfiehlt, wenn er:

  • Publikumseinlagen von gesamthaft höchstens CHF 1 Mio. entgegennimmt;
  • die Publikumseinlagen weder anlegt noch verzinst; und
  • die Einleger, bevor sie die Einlage tätigen, schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, darüber informiert, dass er von der FINMA nicht beaufsichtigt wird und die Einlage nicht von der Einlagensicherung erfasst wird.

Diese Voraussetzungen müssen grundsätzlich kumulativ erfüllt sein, damit das Handeln nicht als gewerbsmässig gilt. Eine Ausnahme findet allerdings auf Unternehmen Anwendung, welche als Haupttätigkeit eine gewerblich-industrielle Tätigkeit ausüben. Die Bedingung, dass die Publikumseinlagen weder angelegt noch verzinst werden dürfen, gilt für diese Unternehmen nicht. Damit soll nach dem Erläuterungsbericht des Bundesrats insbesondere erreicht werden, dass Unternehmen, welche einer gewerblich-industriellen Tätigkeit nachgehen, ihre Tätigkeit im Rahmen der "Freigrenze" über ein Crowdlending-Projekt finanzieren können, ohne eine Bankenbewilligung beantragen zu müssen.

4. Keine Erleichterungen in Bezug auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten nach GwG

Geschäftsmodelle im Bereich Fintech fallen unter Umständen auch in den Anwendungsbereich des Geldwäschereigesetzes ("GwG"). Nach Art. 2 Abs. 3 GwG werden vom GwG Personen erfasst, die berufsmässig fremde Vermögenswerte annehmen oder aufbewahren. Ebenfalls in den Anwendungsbereich des GwG fallen Personen, die anderen Personen dabei helfen, Vermögenswerte anzulegen oder zu übertragen. Daher können insbesondere Crowdfunding-Plattformen dem GwG unterstellt sein. Auch Fintech-Unternehmen, welche neuartige Dienstleistungen im Zahlungsverkehr erbringen, werden unter Umständen vom GwG erfasst.

Wer in den Anwendungsbereich des GwG fällt, muss bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllen. Zunächst ist ein Finanzintermediär verpflichtet, seine Vertragspartei zu identifizieren und den wirtschaftlich Berechtigten festzustellen. Weiter muss er in bestimmten Konstellationen die Hintergründe und den Zweck der von seiner Vertragspartei gewünschten Transaktion oder Geschäftsbeziehung abklären. Ebenfalls bestehen für den Finanzintermediär eine Reihe von Organisations- und Dokumentationspflichten. Sodann muss sich, wer vom GwG erfasst wird, auch einer Selbstregulierungsorganisation anschliessen.

Der Bundesrat hat im Rahmen der Revision der BankV auch geprüft, ob diese Anforderungen des GwG für Fintech-Unternehmen eine unverhältnismässige Hürde darstellen. Weil aus seiner Sicht das Geldwäschereirisiko im Bereich Fintech nicht vermindert ist, hat sich der Bundesrat aber gegen Erleichterungen für Fintech-Unternehmen hinsichtlich der Einhaltung der Sorgfaltspflichten nach GwG ausgesprochen. Sofern eine Tätigkeit in den Anwendungsbereich des GwG fällt, sind die betreffenden Bestimmungen somit ausnahmslos einzuhalten.

5. Ausblick

Die Bestimmungen der BankV werden im FINMA-Rundschreiben 2008/3 "Publikumseinlagen bei Nichtbanken" weiter konkretisiert. Die vom Bundesrat beschlossenen Änderungen der BankV müssen im erwähnten Rundschreiben deshalb nachvollzogen werden. Vor diesem Hintergrund eröffnete die FINMA am 1. September 2017 eine Anhörung zur Teilrevision des FINMA-Rundschreibens 2008/3 "Publikumseinlagen bei Nichtbanken". Gemäss dem in die Anhörung gegebenen Vorschlag soll im Rundschreiben beispielsweise geregelt werden, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt Kunden darüber informiert werden müssen, dass keine Aufsicht durch die FINMA und keine Einlagensicherung besteht. Weiter sieht der Vorschlag für das revidierte Rundschreiben vor, dass Einlagen nur auf einem separaten Konto gehalten werden dürfen. Die Anhörungsfrist zu dieser Revision läuft noch bis zum 16. Oktober 2017. Wir werden über den Ausgang der Anhörung an dieser Stelle wieder berichten.

20.10.2017

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