Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der EWR-Mitgliedschaft hat die liechtensteinische Regierung dem Landtag ihren alle 5 Jahre erscheinenden Bericht über die wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Auswirkungen der Mitgliedschaft vorgelegt.

Was ist der EWR?

Der Europäische Wirtschaftsraum (kurz EWR), bestehend aus den 27 EU-Mitgliedstaaten und den 3 EFTA-Mitgliedern Liechtenstein, Norwegen und Island, ist ein internationales Abkommen zur Schaffung einer vertieften Freihandelszone. Die Staatsbürger aller EWR-Staaten kommen in den Genuss der 4 Grundfreiheiten", namentlich dem freien Warenverkehr, dem freien Personenverkehr, dem freien Dienstleistungsverkehr sowie dem freien Kapitalverkehr. Zudem untersagt Art. 4 des EWR-Abkommens jegliche Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.

Vom Abkommen nicht umfasst sind die typischen Agenden der Europäischen Union (EU) wie gemeinsame Handels-, Steuer-, Landwirtschafts-, Justiz, Wirtschafts- Aussen- oder Sicherheitspolitik. Dennoch bildet das Primär- und Sekundärrecht der EU die rechtliche Grundlage für die vertragsrelevanten Bereiche des Abkommens. So gilt der Vertrag von Rom (EU-Primärrecht), welcher die 4 Grundfreiheiten zum Inhalt hat, und das EU-Sekundärrecht (EU-Rechtsakte; z.B. Verordnungen) zur Sicherung der 4 Grundfreiheiten im gesamten EWR unmittelbar. Dazu zählen neben gemeinsamen Wettbewerbsregeln flankierende Massnahmen zur Harmonisierung in den Bereichen Konsumentenschutz, Umwelt, Statistik und Gesellschaftsrecht.

Wichtigstes Gremium des EWR ist der Gemeinsame EWR-Ausschuss. Die dort von den Vertretern der EU und der EFTA-Staaten gefassten Beschlüsse führen zur Übernahme von EU-Rechtsakten. Die Beschlussfassung erfolgt gemäss Einstimmigkeitsprinzip, darüber hinaus bleiben die nationalen Genehmigungsverfahren unberührt. Landtag und Fürst müssen daher in jedem Fall ihre Zustimmung erteilen.

Regierung zieht positive Bilanz

Die Liechtensteinische Regierung zieht trotz aller Herausforderungen bei der Implementierung von EWR-Recht, wie die Übernahme der Europäischen Finanzaufsichtsstruktur, eine durchwegs gute Bilanz. Die Rückmeldungen aller Interessensverbände waren positiv. Besonders geschätzt wird der freie Zugang zum EU-Binnenmarkt unter gleichzeitiger Beibehaltung des Zugangs zum schweizerischen Markt. Kritik wurde hinsichtlich der Regulierungsflut und der damit zusammenhängenden Probleme für Unternehmen geäussert.

Von Seiten der Regierung werden besonders die positive wirtschaftliche Entwicklung, die stärkere aussenpolitische Stellung Liechtensteins, die vertieften Beziehungen zu den Nachbarländern Österreich und Deutschland, sowie Fortschritte in den Bereichen Konsumenten- und Arbeitnehmerschutz, Gleichstellung von Mann und Frau und Bildung hervorgehoben.

Volk signalisiert Zustimmung

Eine eigens durchgeführte repräsentative Online-Befragung ergab grosse Zustimmungswerte für den EWR bei den Liechtensteinern. 76% der Befragten haben ein positives Bild von der EWR-Mitgliedschaft, nur 5% stehen der Mitgliedschaft kritisch gegenüber. Als besondere Errungenschaft werden dabei die 4 Grundfreiheiten erachtet. Darüber hinaus wünscht sich die überwiegende Mehrheit eine Kontinuität in der Europapolitik und einen Ausbau der Beziehungen.

Von der EU hat zwar die Mehrheit der Befragten ein positives Bild, dennoch bestehen nach wie vor grosse Vorbehalte bezüglich einer EU-Mitgliedschaft. Negativ assoziiert werden in diesem Zusammenhang Bürokratie, mangelnde Grenzkontrollen und Kriminalität.

Originally published by Naegele, May 2020

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