Am 01. Mai 2020 tritt das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf für das Fürstentum Liechtenstein in Kraft.

Das UN-Kaufrecht (englisch: United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, CISG; französisch: Convention des Nations unies sur les contrats de vente internationale de marchandises, CVIM) vom 11. April 1980, auch Wiener Kaufrecht genannt, ist ein völkerrechtlicher Vertrag über das für den internationalen Warenkauf maßgebliche Recht.

Es ist auf grenzüberschreitende Warenkaufverträge anzuwenden, wenn beide Vertragsparteien ihre Niederlassung in einem Vertragsstaat des UN-Kaufrecht-Übereinkommens haben oder die auf den Vertrag anzuwendende Rechtsordnung die eines Vertragsstaates ist.

Derzeit haben bereits 93 Staaten das Übereinkommen ratifiziert. Darunter befinden sich die meisten europäischen Länder und wichtige Handelspartner Liechtensteins.

Was regelt das UN-Kaufrecht?

Das UN-Kaufrecht beinhaltet keine Kollisionsnormen, sondern enthält materielles Recht für Kaufverträge. Kommt das UN-Kaufrecht zur Anwendung, verdrängt es in seinem Anwendungsbereich nationale kaufrechtliche Regelungen. Dabei handelt es sich um eine "loi uniforme" des materiellen Rechts, also Einheitsrecht.

In materieller Hinsicht regelt das UN-Kaufrecht ausschliesslich den Abschluss von Warenkaufverträgen und die daraus entstehenden Rechte und Pflichten des Käufers und Verkäufers.

Zu beachten ist, dass das UN-Kaufrecht nicht zwingender Natur ist und daher vertraglich (auch zur Gänze) ausgeschlossen werden kann.

Anwendungsbereich

Grundsätzlich ist das UN-Kaufrecht auf Kaufverträge über Waren anzuwenden, wenn

  • die Vertragsparteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben (Auslandsbezug) und
  • diese Staaten das UN-Kaufrechts-Übereinkommen ratifiziert haben oder
  • die Regeln des Internationalen Privatrechts auf das Recht eines Staates verweisen, welcher das UN-Kaufrechts-Übereinkommen ratifiziert hat.

Die Frage der Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien ist irrelevant, da das UN-Kaufrecht bezüglich der Anwendbarkeit lediglich auf die Niederlassung der Vertragsparteien abstellt. Zudem bleibt unberücksichtigt, ob es sich um Kaufleute oder Nichtkaufleute handelt oder ob der Vertrag handelsrechtlicher oder zivilrechtlicher Natur ist.

Ausnahmen vom Anwendungsbereich

Keine Anwendungen findet das UN-Kaufrecht auf Käufe

  • von Waren für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt, es sei denn, dass der Verkäufer vor oder bei Vertragsabschluss weder wusste noch wissen musste, dass die Ware für einen solchen Gebrauch gekauft wurde,
  • bei Versteigerungen,
  • aufgrund von Zwangsvollstreckungs- oder anderen gerichtlichen Massnahmen,
  • von Wertpapieren oder Zahlungsmitteln und
  • von Seeschiffen, Binnenschiffen, Luftkissenfahrzeugen oder Luftfahrzeugen sowie
  • von elektrischer Energie.

Darüber hinaus bleibt durch das UN-Kaufrecht folgendes ungeregelt:

  • die Rechts- und Geschäftsfähigkeit,
  • Vertretungsmängel,
  • die sachenrechtlichen Folgen des Vertragsabschlusses und der Lieferung und
  • die Geltendmachung von Willensmängeln,
  • Vertragsstrafen,
  • Aufrechnung,
  • Verjährung, sowie
  • die Haftung für Personenschäden.

Diese ungeregelten Fragen entscheidet das durch das IPR berufene nationale Recht.

Abschluss von Kaufverträgen nach dem UN-Kaufrecht

Auch nach dem UN-Kaufrecht kommt ein Vertrag durch die willentliche Übereinstimmung von Angebot und Annahme zustande, die bestimmt sein müssen und jeweils mit Zugang wirksam werden. Es gilt der Grundsatz der Formfreiheit. Schweigen ist ohne besondere Anhaltspunkte nicht als Zustimmung zu werten. Wenn eine gesonderte Erklärung der Annahme nicht erwartet wird, kann ein Vertrag durch stille Annahme zustande kommen.

Zu beachten ist jedoch, dass nach dem UN-Kaufrecht z.B. ein Angebot bis zur Absendung der Annahmeerklärung des Empfängers widerrufen werden kann. Nach den Bestimmungen des liechtensteinischen ABGB kann ein abgegebenes Angebot nur bis zum Zugang beim Empfänger widerrufen werden. Zudem kommt ein Vertrag nach UN-Kaufrecht ebenso zustande, wenn die Annahme unwesentliche Änderungen des Angebots enthält, wie beispielsweise geringfügig andere Lieferfristen, sofern der Offerent dies nicht unverzüglich beanstandet.

Zu den grundlegenden Pflichten des Verkäufers gehören

  • dem Käufer die vertragsgemässe Ware zu liefern,
  • die betreffenden Dokumente zu übergeben und
  • das Eigentum an der Ware zu übertragen.

Gemäss UN-Kaufrecht treffen den Käufer die Pflichten

  • den Kaufpreis zu zahlen und
  • die Ware anzunehmen.

Leistungsstörungen

Während das liechtensteinische Recht unterschiedliche Formen der Leistungsstörung (z.B. Verzug, mangelhafte Erfüllung, etc.) kennt, enthält das UN-Kaufrecht einen einheitlichen Tatbestand, nämlich die Vertragsverletzung (breach of contract). Der Verkäufer verwirklicht den Tatbestand gleichermassen bei Verzug, Nichterfüllung und mangelhafter Erfüllung. Differenziert wird hingegen bei der Intensität der Vertragsverletzung. Nur wesentliche Vertragsverletzungen berechtigten nämlich zur sofortigen Vertragsaufhebung. Als wesentlich werden Unmöglichkeit und die ernsthafte und endgültige Verweigerung der Lieferung oder Zahlung sowie die Nichterfüllung bei Fixgeschäften angesehen. Bei allen anderen Geschäften führt der Verzug nicht zu einer wesentlichen Vertragsverletzung.

Bei Vertragsverletzung des Verkäufers stehen dem Käufer folgende Rechtsbehelfe zur Verfügung:

  • Setzung einer Nachfrist und Aufhebung des Vertrages nach Ablauf der Frist bei Leistungsverzug,
  • sofortige Vertragsaufhebung bei Fixgeschäften,
  • Ersatzlieferung (=Austausch) oder Verbesserung bei mangelhafter Erfüllung und
  • Preisminderung, wenn Ersatzlieferung oder Verbesserung nicht möglich sind sowie
  • sofortige Vertragsaufhebung, sofern es sich um eine wesentliche Vertragsverletzung handelt.

Zu beachten ist die Rügeobliegenheit des Käufers. Dieser muss dem Verkäufer die vertragswidrige Leistung in angemessener Frist anzeigen.

Bei Vertragsverletzung des Käufers stehen dem Verkäufer folgende Rechtsbehelfe zur Verfügung:

  • Setzung einer Nachfrist und Aufhebung des Vertrages nach Ablauf der Frist bei Zahlungsverzug,
  • sofortige Vertragsaufhebung, sofern es sich um eine wesentliche Vertragsverletzung handelt (dazu zählt insbesondere Zahlungsverzug aufgrund von Liquiditätsengpässen des Käufers) und
  • Bestehen auf die Abnahme der Kaufsache bei sonstiger Aufhebung des Vertrages unter Setzung einer Nachfrist sowie
  • Setzung einer Nachfrist und Aufhebung des Vertrages nach Ablauf der Frist bei Abnahmeverzug.

In jedem Fall steht dem geschädigten Vertragspartner auch ein grundsätzlich verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch für Sach- und Vermögensschäden und entgangener Gewinn zu. Ausgenommen sind vertragswidrige Handlungen, die auf einem ausserhalb des Einflussbereiches des Betriebes liegenden, unvorhersehbaren und unvermeidbaren Grund beruhen. Dazu zählen beispielsweise Streiks und Naturkatastrophen.

Originally published 2020-04-30

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