Konflikte zwischen Mitarbeitenden treten früher oder später in fast jedem Unternehmen auf. Kann ein Konflikt nicht mit geeigneten Massnahmen entschärft werden, bleibt dem Arbeitgeber häufig nur die Möglichkeit, einem oder mehreren der in den Konflikt involvierten Mitarbeitenden zu kündigen. Dabei hat der Arbeitgeber jedoch gewisse Pflichten zu beachten, wenn er nicht riskieren will, dass die Kündigung vor Gericht als missbräuchlich erklärt wird.

Ordentliche Kündigungen von Arbeitgebern als Folge von Konfliktsituationen am Arbeitsplatz bildeten in den vergangenen Jahren regelmässig Gegenstand von Gerichtsverfahren. In vielen Fällen wurde die Kündigung von den Gerichten als missbräuchlich im Sinne von Art. 336 OR erachtet, weil der Arbeitgeber vor der Kündigung seiner gesetzlichen Fürsorgepflicht nicht nachgekommen war.

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bei Konflikten

Gemäss Art. 328 OR ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Daraus folgt, dass sich der Arbeitgeber jedes durch den Arbeitsvertrag nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers zu enthalten und diese auch gegen Eingriffe von Vorgesetzten, Mitarbeitenden oder Dritten zu schützen hat.

Aus diesem Grundsatz hat das Bundesgericht abgeleitet, dass der Arbeitgeber bei konfliktgeladenen Situationen am Arbeitsplatz zuerst verpflichtet ist, zumutbare Massnahmen zu treffen, um den Konflikt zu entschärfen. Bemüht sich der Arbeitgeber nicht oder nur ungenügend um die Lösung des Konflikts, bevor er die Kündigung ausspricht, ist er seiner Fürsorgepflicht nicht genügend nachgekommen. Die Kündigung ist in einem solchen Fall missbräuchlich, und es drohen Entschädigungszahlungen von bis zu sechs Monatslöhnen (Art. 336a OR).

Vorliegen einer Konfliktsituation

Die Pflicht des Arbeitgebers zur Ergreifung von Massnahmen zur Konfliktlösung greift nicht schon bei geringfügigen atmosphärischen Störungen am Arbeitsplatz, sondern nur bei eigentlichen Konfliktsituationen, beispielsweise bei persönlichen Unverträglichkeiten zwischen Mitarbeitenden von einer gewissen Intensität oder auch bei Kompetenzkonflikten. Ein klassischer Fall sind Mobbingsituationen. Darunter ist gemäss Bundesgericht ein systematisches, feindliches, über einen längeren Zeitraum anhaltendes Verhalten zu verstehen, mit dem eine Person an ihrem Arbeitsplatz isoliert, ausgegrenzt oder gar von ihrem Arbeitsplatz entfernt werden soll.

Sind die Spannungen am Arbeitsplatz indessen dadurch begründet, dass ein Mitarbeitender seine arbeitsrechtlichen Pflichten verletzt hat, beispielsweise sich Anordnungen seines Vorgesetzten widersetzt hat, ist der Arbeitgeber gemäss Bundesgericht nicht gehalten, geeignete Vorkehrungen zur Entspannung des Arbeitsklimas zu treffen.

Geeignete Massnahmen zur Konfliktlösung

Welche konkreten Massnahmen der Arbeitgeber zu ergreifen hat, um eine Konfliktsituation zu entschärfen, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Dem Arbeitgeber kommt bei der Auswahl der Massnahmen gemäss Rechtsprechung ein grosser Ermessensspielraum zu. Die Massnahmen müssen indessen als tatsächlich geeignet erscheinen, um den Konflikt beizulegen. Die Bemühungen zur Konfliktlösung dürfen mit anderen Worten nicht zur reinen Alibiübung verkommen.

Als geeignete Massnahmen werden in der Rechtsprechung und Lehre etwa die Durchführung von Einzel- und Gruppengesprächen mit den Konfliktbeteiligten, das Erteilen von konkreten Verhaltensanweisungen, der Beizug einer Vertrauensstelle oder einer externen Beratungsunternehmung zwecks Teamcoaching sowie das Unterbreiten von Vorschlägen zur endgültigen Beilegung des Konflikts genannt. In Frage kommen auch Befragungen, Teamsitzungen, der Beizug von Mediatoren, die Umorganisation der Arbeitsabläufe oder das Vorsehen von Zielvorgaben bzw. Verwarnungen. Auch die interne Versetzung bzw. das Angebot dazu ist häufig eine geeignete Massnahme zur Konfliktlösung.

In vielen Fällen ist die Ergreifung mehrerer der genannten Massnahmen angezeigt, bevor eine Kündigung ins Auge gefasst werden kann. Die Massnahmen müssen zudem vom Arbeitgeber zeitnah ergriffen werden. So hat das Bundesgericht in einem Fall die Vorgehensweise eines Arbeitgebers für ungenügend erachtet, der bloss eine einzige, im Hinblick auf die Entspannung des Betriebsklimas überdies viel zu spät angesetzte Aussprache durchgeführt hatte.

Fürsorgepflicht in der Probezeit und bei älteren Mitarbeitenden

Grundsätzlich muss sich der Arbeitgeber auch dann um die Streitschlichtung bemühen, wenn ein Konfliktbeteiligter noch in der Probezeit ist. Der Arbeitgeber dürfte in solchen Fällen jedoch nicht im gleichen Ausmass zur Konfliktlösung verpflichtet sein wie nach Ablauf der Probezeit. Werden bereits während der Probezeit Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit den übrigen Mitarbeitenden erkennbar, ist der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, um einen Mitarbeitenden zu suchen, der sich besser in den Betrieb einfügt.

Umgekehrt gilt eine erhöhte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, wenn ein Mitarbeitender im fortgeschrittenen Alter ist und ein langes Dienstalter aufweist. Der Arbeitgeber hat in solchen Fällen der Art und Weise der Kündigung besondere Beachtung zu schenken. Der Mitarbeitende hat namentlich Anspruch darauf, rechtzeitig über die beabsichtigte Kündigung informiert und angehört zu werden. Der Arbeitgeber ist zudem verpflichtet, nach Lösungen zu suchen, welche eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses ermöglichen. Ein absoluter Kündigungsschutz besteht indessen auch für ältere Mitarbeitende nicht.

Grenzen der Fürsorgepflicht

In besonderen Fällen kann der Arbeitgeber ausnahmsweise darauf verzichten, Massnahmen zur Konfliktentschärfung zu ergreifen, bevor er die Kündigung ausspricht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich der betreffende Mitarbeitende unkooperativ zeigt und den Vorkehren des Arbeitgebers zur Konfliktlösung widersetzt. Auch wenn die Umstände derart gravierend sind, dass der Arbeitgeber sofort reagieren muss, um andere Mitarbeitende zu schützen (z.B. bei tätlichen Übergriffen) kann eine direkte Kündigung zulässig sein.

Scheitern der Schlichtungsbemühungen

Vermögen die vom Arbeitgeber getroffenen Massnahmen den bestehenden Konflikt nicht zu lösen, ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei zu entscheiden, welchen der konfliktbeteiligten Personen er kündigen will. Lassen sich die Opfer- und Täterrolle in einem Konflikt indessen klar zuweisen, dürfte es jedoch missbräuchlich sein, gerade derjenigen Person zu kündigen, welche nicht für den Konflikt verantwortlich ist.

Empfehlungen für die Praxis

Tritt eine Konfliktsituation am Arbeitsplatz auf, sind Arbeitgeber im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gut beraten, geeignete Massnahmen zur Konfliktlösung zu ergreifen, bevor sie zur Kündigung schreiten. Es empfiehlt sich, in einem Reglement festzulegen, wie im Falle von Konflikten vorzugehen ist und eine interne oder externe Anlaufstelle zu bezeichnen, an die sich Mitarbeitende bei Arbeitskonflikten wenden können. Die Schlichtungsbemühungen sollten im Hinblick auf einen möglichen Streitfall unbedingt in geeigneter Form dokumentiert werden, beispielsweise in Form von Sitzungsprotokollen oder Aktennotizen. Auch wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht verpflichtet ist, dem betroffenen Arbeitnehmer vor der Kündigung das rechtliche Gehör zu gewähren, ist es häufig empfehlenswert, ihn vorgängig zum Ergebnis der Schlichtungsbemühungen anzuhören.

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