Das System für Patentstreitverfahren ist in Deutschland zweigeteilt, wobei Patentnichtigkeits- und Patentverletzungsverfahren vor unterschiedlichen Gerichten verhandelt werden.

Patentnichtigkeitsklage

Nach Ablauf einer Frist von neun Monaten, in der Einspruch eingereicht werden kann, besteht die Möglichkeit, ein Patent durch eine Nichtigkeitsklage anzufechten.

Für Nichtigkeitsklagen ist das Bundespatentgericht (BPatG)¹ in erster Instanz zuständig, wo die Verfahren von zwei juristisch und drei technisch ausgebildeten Richtern entschieden werden. Die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens beträgt etwa 25 Monate. Gegen erstinstanzliche Entscheidungen kann am Bundesgerichtshof (BGH) in zweiter Instanz Berufung eingelegt werden, wo ein spezialisierter Senat aus fünf juristisch ausgebildeten Richtern über den Fall entscheidet. Die Dauer des zweitinstanzlichen Verfahrens beträgt etwa zwei bis drei Jahre.

Patentverletzungsklage

Eine Patentverletzungsklage kann für jedes Patent eingereicht werden, das in Deutschland in Kraft ist. Für Patentverletzungsklagen sind die Landgerichte (LG) in erster Instanz und die Oberlandesgerichte (OLG) in zweiter Instanz zuständig. Die meisten Patentverletzungsklagen werden in Düsseldorf, Mannheim und München verhandelt, sie können jedoch prinzipiell vor jedem der 12 zuständigen LG verhandelt werden. In beiden Instanzen werden die Fälle von drei juristisch ausgebildeten Richtern angehört, die üblicherweise keine besondere technische Ausbildung besitzen.

Die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens beträgt etwa 8 bis 15 Monate², jedoch ist eine Verzögerung von 9 bis 12 Monaten zu erwarten, wenn ein fachliches Gutachten angefordert wird. Im Falle einer Berufung beträgt die Dauer der zweiten Instanz etwa 15 bis 24 Monate. Unter bestimmten Umständen kann eine Revision, die sich auf Rechtsfragen beschränkt, vor den BGH gebracht werden, wodurch sich das Verfahren um weitere etwa zwei bis drei Jahre verlängern kann.

Optionen vor Einreichung einer Patentverletzungsklage

Abmahnung: Der Patentinhaber kann dem Verletzer eine Unterlassungsaufforderung zusenden, in dem dieser aufgefordert wird, Patentverletzungen in Zukunft zu unterlassen und diesbezüglich eine rechtsverbindliche Erklärung abzugeben. Der Patentinhaber geht bei Einreichung einer Patenverletzungsklage ohne voherige Abmahnung das Risiko ein, sämtliche Kosten des Rechtsstreits selbst tragen zu müssen, falls der Verletzer sofort nach Einleitung des Gerichtsverfahrens von sich aus eine ausreichende Unterlassungserklärung abgibt oder ein sofortiges Anerkenntnis vor Gericht erklärt.

Einstweilige Verfügung: Es besteht die Möglichkeit, dem Verletzer die Patentbenutzung durch eine einstweilige Verfügung zu untersagen. Wenn das Gericht davon überzeugt werden kann, dass eine Patentverletzung unmittelbar droht, so kann es die einstweilige Verfügung ohne Befragung des angeblichen Verletzers gewähren. Eine einstweilige Verfügung kann daher innerhalb von Tagen gewährt werden. In Deutschland werden 75% bis 77% der Anträge einer einstweiligen Verfügung bewilligt.

Um zu vermeiden, dass eine einstweilige Verfügung ohne Anhörung beider Seiten gewährt wird, kann eine Schutzschrift hinterlegt werden, bevor ein Produkt auf den Markt gebracht wird.³ Eine Schutzschrift ist ein vorbeugender Verteidigungsschriftsatz, in dem sämtliche Verteidigungsargumente im Vorfeld dargelegt werden können, wie zum Beispiel der Einwand der Nichtverletzung und/oder mangelnder Patentfähigkeit. Die Schutzschrift soll sicherstellen, dass ein Gericht keinen Erlass einer einstweiligen Verfügung erteilt ohne die Argumente des Beklagten zu berücksichtigen. Dadurch soll das Gericht dazu bewegt werden, den Erlass zu verweigern oder zumindest eine Anhörung anzusetzen.

Aussetzung des Patentverletzungsverfahrens

In dem zweigeteilten System, das für Verfahren der Rechtsbeständigkeit und Patentverletzung des Patents zwei verschiedene Gerichte vorsieht, wird die Rechtsbeständigkeit eines Patents nicht während eines Patentverletzungsverfahrens geprüft. In diesem System kann ein Verletzungsverfahren entschieden werden, bevor ein Nichtigkeitsverfahren abgeschlossen ist. Um dies zu vermeiden, kann eine Aussetzung des Verletzungsverfahrens aufgrund einer laufenden Nichtigkeitsklage beantragt werden.

Eine Aussetzung des Verletzungsverfahrens wird nicht in jedem Fall gewährt. Ob Verletzungsverfahren aufgrund anhängiger Nichtigkeitsklagen ausgesetzt werden, hängt vom Ermessen des Verletzungsgerichts ab. Dabei hat das Gericht alle für die Entscheidung relevanten Umstände abzuwägen. Hierzu zählen das Interesse des Beklagten, nicht aus einem möglicherweise nichtigen Patent in Anspruch genommen zu werden, wie auch das Interesse des Klägers an einem zeitnahen Abschluss des Verletzungsverfahrens. Im Allgemeinen wird ein Verletzungsverfahren nur ausgesetzt, wenn die Nichtigkeitsklage nach vorläufiger Bewertung als erfolgversprechend anzusehen ist. Dies kann beispielsweise mit Hilfe des qualifizierten Hinweises des Nichtigkeitsgerichts bewertet werden.

Vollstreckung der Entscheidungen der Landgerichte

Rechtskräftige Gerichtsentscheidungen können durch die obsiegende Partei durchgesetzt werden, d.h. die gegnerische Partei kann aufgefordert werden, den rechtswirksamen Teil der Entscheidung mit sofortiger Wirkung zu beachten und jegliche in der Entscheidung festgelegte Maßnahmen durchzuführen (z.B. Auskunftserteilung oder Zerstörung der Waren).

In Verfahren, in denen Rechtsmittel wie die Berufung vor dem OLG oder BGH noch möglich sind, ist die Gerichtsentscheidung noch nicht rechtskräftig. Solch eine noch nicht rechtskräftige Entscheidung kann gegen Hinterlegung einer Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckt werden. Die Höhe der Sicherheitsleistung wird auf Grundlage des Streitwerts vom Gericht festgelegt und beträgt üblicherweise etwa 120% des Streitwerts.

Wenn eine Entscheidung vorläufig vollstreckt ist und dann durch OLG oder BGH aufgehoben wird, muss der Kläger den Beklagten für seine Verluste durch die Vollstreckung entschädigen. Aus diesem Grund ist es vor einer vorläufigen Vollstreckung ratsam, das Risiko möglicher Verluste abzuschätzen und sogar den Nutzen einer vorläufigen Vollstreckung abzuwägen.

Die vorläufige Vollstreckung kann auf Antrag der unterlegenen Partei untersagt werden, z.B. im Falle, dass die vorläufige Vollstreckung zu irreparablen Schäden führen würde.

Kostenrisiko

Die unterlegene Partei muss der obsiegenden Partei bestimmte Kosten erstatten. Die Höhe der vorgegebenen Gerichts- und Anwaltsgebühren werden nach dem Gesetz berechnet, wobei die gesetzlich festgelegten Anwaltsgebühren die tatsächlichen Anwaltskosten üblicherweise nicht komplett decken. Das Kostenrisiko einer unterlegenenen Partei umfasst sämtliche eigene Anwaltskosten, erstattungsfähige Kosten des Gegners und die Gerichtskosten.

Die Kosten in Nichtigkeits- und Verletzungsverfahren hängen vom Streitwert ab. In einem üblichen Patentstreitverfahren bewegt sich der Streitwert im Bereich von 500 000 € bis 5 000 000 €.

Patentnichtigkeitsklage

Nimmt man beispielsweise an, dass der Streitwert 2 000 000 € beträgt und jede Partei einen Patentanwalt beauftragt, dann liegt das Kostenrisiko einer Nichtigkeitsklage im Bereich von 80 000 €4 (Gerichtskosten und Anwaltskosten beider Seiten würden jeweils im Bereich von 40 000 € liegen).

Eine Berufung könnte zu einem zusätzlichen Kostenrisiko von etwa 90 000 € führen. Zusätzliche 10 000 € könnten durch Durchführung einer Beweisaufnahme zu den Gesamtkosten hinzukommen.

Patentverletzungsklage

Nimmt man bei einer Patentverletzungsklage beispielsweise an, dass der Streitwert 2 000 000 € beträgt und jede Partei einen Patentanwalt und einen Rechtsanwalt beauftragt, dann liegt das Kostenrisiko im Bereich von 100 000 €4 (Gerichtskosten würden im Bereich von 25 000 € und die Anwaltskosten beider Seiten im Bereich von 75 000 €⁵ liegen).

Das Kostenrisiko der zweiten Instanz ist üblicherweise etwa 30% höher als in der ersten Instanz.

Footnotes

1 Jedes Jahr werden etwa 250 Nichtigkeitsverfahren durch das BPatG entschieden. Ein Patent wird dabei in etwa 40% der Fälle komplett widerrufen oder mit eingeschränktem Schutzumfang aufrechterhalten.

2 Das LG in Mannheim benötigt etwa neun Monaten und ist damit schneller als die LG in München und Düsseldorf, die etwa 15 Monate benötigen.

3 Seit 1.1.2017 sind Anwälte verpflichtet, Schutzschriften elektronisch bei dem zentralen elektronischen Schutzschrif- tenregister (ZSSR) einzureichen. Nach der Einreichung ist die Schutzschrift sechs Monate lang für alle ordentliche Gerichte der Länder einsehbar.

4 Hinzu kommt der Anteil der eigenen Anwaltskosten, der über die gesetzlich festgelegten Anwaltsgebühren hinausgeht.

5 Gesetzlich festgelegte Anwaltsgebühren sind in Verletzungs- klagen aufgrund der zusätzlichen Pflicht eines Rechtsanwalts üblicherweise doppelt so hoch wie bei Nichtigkeitsklagen.

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