75% der für das Aufsichtsrats-Radar 2023 Befragten geben an, dass ESG durch die jüngsten Krisen eine höhere oder zumindest unveränderte Bedeutung einnimmt. Dies deckt sich auch mit den Ergebnissen des aktuellen AlixPartners Disruption Index: Demnach ist weltweit die Zahl der Führungskräfte, die sagen, dass Umwelt und Sozialfragen einen sehr oder äußerst bedeutenden Einfluss auf ihr Unternehmen haben, in den letzten drei Jahren um 67 Prozent gestiegen.

Was ist ESG denn nun: Bürokratie-Monster oder ein Klimaretter?

Einerseits berichten Aufsichtsräte besorgt über die bestehende Gefahr von Wettbewerbsnachteilen für den europäischen Wirtschaftsraum durch exzessive Regulierung. Denn es gibt eine unüberschaubare Zahl an Regulierungsmaßnahmen mit teilweise widersprüchlichen Inhalten. Die Zahl der Unternehmen in der EU, die verpflichtet sind, über Nachhaltigkeitsinformationen zu berichten, wird sich in den nächsten Jahren vervierfachen – auch immer mehr kleinere Unternehmen werden dann in die Pflicht genommen. Und auch die inhaltlichen Anforderungen werden steigen.

Andererseits gibt es erhebliche Chancen durch ESG, insbesondere E", durch neue Produkte und Geschäftsfelder. Gerade europäische Unternehmen gelten hier oftmals als Vorreiter. So kann z.B. ein starkes Wachstum in neuen Technologien und Geschäftsfeldern wie Carbon Capture and Utilization, green steel, e-fuels, etc. beobachtet werden.

ESG ist damit kein Risiko-Management Thema mehr, sondern bietet auch enorme Chancen und ist zum Teil auch Voraussetzung für Finanzierungen, Kundengewinnung und -bindung sowie Employer Branding. Insbesondere der letzte Punkt gewinnt immer mehr Bedeutung im War for Talents: Eine aktuelle Klimaumfrage der Europäischen Investitionsbank zeigt, dass für 81 Prozent der 20- bis 29-Jährigen in Deutschland die Haltung eines potenziellen Arbeitgebers zum Klima ein wichtiges Kriterium bei der Stellenwahl ist. (LINK)

Ist die Unternehmensgröße bei ESG-Ratings entscheidend?

ESG wird derzeit von vielen Unternehmen noch vor allem als ein Reporting-Thema wahrgenommen; aber viele der Großunternehmen haben bereits reagiert. Der Mittelstand droht hingegen überrollt zu werden. Dies bestätigt auch eine Auswertung von ESG-Ratings eines führenden Anbieters: Je größer ein Unternehmen gemessen am Umsatz ist, desto höher ist seine Bewertung in den Ratings. Dabei gibt es überraschende Unterschiede im Branchenvergleich: Automotive und Consumer Goods liegen ganz vorne beim E-Rating, Software und TMT dagegen liegen eher auf den hinteren Plätzen.

Die These liegt nahe, dass Branchen mit höherem Problembewusstsein" mehr berichten bzw. mehr Wert auf eine möglichst positive Außenwirkung legen, was wiederum zu tendenziell besseren Bewertungen führt.

Ist ESG nur ein Schlagwort oder Treiber nachhaltiger Veränderung? Und was sind in diesem Zusammenhang die Empfehlungen an Aufsichtsräte?

Trotz "Poly- oder Multi-Krise" ist das Thema ESG weiter ganz oben auf der Agenda der Aufsichtsräte: 75% der Befragten geben an, dass ESG durch die jüngsten Krisen eine höhere oder zumindest unveränderte Bedeutung einnimmt. Dabei überstrahlt das E für Environment alles, während die Governance bereits weit fortgeschritten und Bestandteil der täglichen Arbeit der Aufsichtsräte ist.

Dies bestätigt: ESG ist eines DER Mega-Themen der letzten und auch der kommenden Jahre: Und nachhaltige Transformation wird auf Jahre zu den Top drei der Arbeitsfeldern vorwärts denkender Aufsichtsräte zählen. Daher sollte diese Aufgabe nicht in Nachhaltigkeitskommissionen behandelt werden, sondern zu einer zentralen Aufgabe aller Aufsichtsräte gemacht werden. In den deutschen Unternehmen herrscht hier jedoch noch ein uneinheitliches Bild: In der einen Hälfte der DAX-Aufsichtsräte gibt es einen Nachhaltigkeitsausschuss, in der anderen Hälfte nicht.

In jedem Fall ist ESG heute aus dem Tagesgeschäft der Aufsichtsträte nicht mehr wegzudenken. Wer ESG jedoch als reine Pflichtaufgabe versteht und diese an Nachhaltigkeits-Kommissionen delegiert, statt sie zu einer zentralen Aufgabe des gesamten Gremiums zu machen, nutzt die Zukunftschancen nicht, die sich für alle Unternehmen daraus ergeben. Denn der Aufsichtsrat ist in der Pflicht, Unternehmen darauf auszurichten, regulatorische Anforderungen zu erfüllen (Aufsicht") und gleichzeitig Zukunftschancen wahrzunehmen (Rat").

Die Ergebnisse unserer Befragung haben wir für die mittlerweile sechste Auflage des AlixPartners Aufsichtsrats-Radar 2023 mit dem Titel ESG IM AUFSICHTSRAT: BÜROKRATIE-MONSTER ODER KLIMARETTER? für Sie zusammengefasst.

The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.